„Es gibt zwei Arten, etwas über eine Orange zu erfahren. Man kann ihre Oberfläche untersuchen, minutiös, Millimeter für Millimeter. Danach weiß man etwas über die Orange. Man kann aber auch ein Loch in die Schale bohren und bis ins Innere der Frucht vordringen. Auch so lernt man etwas über die Orange.“ (Seite 23f)
Moby Dick erschien erstmals 1851 in London und New York, und ich kenne den Roman als Hörbuch, das ich vor ein paar Jahren gehört habe. Richtige Freunde sind Herman Melville und ich nicht geworden, ich glaube, ich fand den Roman damals einfach zu weitschweifig, obgleich er auch sehr spannende Passagen hat.
Nun habe ich die Graphic Novel gelesen, und entgegen meiner Erwartung entspricht das Buch nicht ganz der bekannten Geschichte, sondern geht darüber hinaus: In Paris trifft ein junger Journalist einen Experten für Melvilles Werk, und gemeinsam erkunden sie nicht nur die bekannte Geschichte um Kapitän Ahab und seine Jagd auf den Wal, sondern sie lassen den Leser auch an weiterführenden Informationen teilhaben, z.B. an den Hintergründen der Veröffentlichung und an kulturgeschichtlichen Besonderheiten zur Entstehungszeit des Romans.
Die Graphic Novel ist großartig gezeichnet, eher düster, aber sehr stimmungsvoll.
Dass die Graphic Novel nicht einfach den Roman behandelt und zusammenfasst, hat mich anfangs etwas verwirrt, und ich habe ein Weilchen gebraucht, bis ich mich eingelesen, eingedacht und eingefühlt hatte. Durch die facettenreichere Interpretation von Moby Dick hat die Graphic Novel aber tatsächlich Mehrwert und ist nicht einfach nur ein Roman, der visualisiert wurde.
Richtig packen konnte mich die Graphic Novel trotzdem nicht, aber sie ist so grandios gezeichnet und bietet so tolle Einblicke ins Werk und die Epoche, dass ich sie trotzdem gerne empfehle.
Isaac Wens und Sylvain Venayre: Auf der Suche nach Moby Dick. Graphic Novel nach Herman Melville. Übersetzung von Anja Kootz. Knesebeck, 2020, 224 Seiten; 28 Euro.