Ein Spalt Luft von Mischa Mangel

„Wenn ich mir meine Mutter vorstelle, stelle ich sie mir meist als unglücklichen Menschen vor. Ein Mensch, der seit Jahrzehnten in einer Wohnung voller unliebsamer Erinnerungen lebt, und die Erinnerungen lassen nicht los, haben aber den entscheidenden Vorzug, bekannt zu sein. Die Welt außerhalb der Wohnung hingegen ist unbekannt, und das macht Angst.“ (Seite 97)

Vier Monate nach seiner Geburt entwickelt seine Mutter erstmals eine Psychose. Sie zieht sich von allen zurück, lebt allein mit ihrem Sohn in einer Zweizimmerwohnung, die sie kaum noch verlässt.

Sein Vater erhält schließlich das alleinige Sorgerecht, nimmt den Jungen bei sich auf, der Kontakt zur Mutter bricht daraufhin ab.

Beinahe 20 Jahre später macht sich der Sohn auf die Suche nach Informationen über seine Mutter, möchte verstehen, was damals genau passiert ist.

Ich habe eine große Leidenschaft für Psychosen und Menschen mit Psychose, habe mich schon sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Dementsprechend gespannt war ich auf Mischa Mangels Debütroman, der auf sehr eindringliche und eindrückliche Weise um das Thema Psychose kreist.

Tatsächlich hat mich Mangel mit in die Welt der Mutter genommen, wobei viele Schilderungen für den Außenstehenden unverständlich bleiben – so wie in einer Psychose auch. Dieser Kniff, den Leser durch oft mysteriöse Passagen eine Geschichte zu erzählen, macht die Lektüre nicht wirklich einfach, aber emotional sehr gut greifbar.

Auf diesen Erzählstil und auch auf die Innenwelt eines Menschen mit Psychose muss man sich einlassen können, um an dem Buch Gefallen zu finden, und ich denke, man muss auch in Kauf nehmen können, dass sich einem nicht immer der dahinterliegende Sinn erschließt. Wenn einem dies gelingt, bekommt man Einblicke in eine beängstigende, aber auch eine faszinierende Welt, und nebenbei kann man mehr über Psychosen lernen, z.B. über Lobotomie, Antipsychotika und ihre Nebenwirkungen sowie die Symptome einer Psychose.

Mischa Mangel: Ein Spalt Luft. Suhrkamp, 2021, 270 Seiten; 22 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!