„Menschen, die darauf bestehen, ihre Eigenheit zu behalten, die ihren Lebensentwurf verteidigen, die zwar Unterstützung in bestimmten Bereichen wünschen, aber klare eigene Vorstellungen davon haben, was sie wollen und was nicht, haben es in der Psychiatrie immer noch schwer. Das Weddinger Modell verstehe ich als ein Konzept, das vorsieht, den Patienten zu fragen, nicht vorher schon alles zu wissen, nicht alles für ihn zu erledigen, ein Konzept, das an der Lebensrealität des Gegenübers ansetzt, das sein Umfeld miteinbezieht und schon deshalb nicht allmächtig ist. Es akzeptiert die Grenzen der psychiatrischen Interventionsmöglichkeiten und es achtet die Grenzen des Patienten.“ (Seite 15f)
Lieselotte Mahler, Ina Jarchov-Jádi, Christiane Montag und Jürgen Gallinat erläutern in ihrem Buch die wichtigsten Elemente des Weddinger Modells, den theoretischen Hintergrund, welche Veränderungen damit einhergehen, wie mit Zwangsbehandlungen umgegangen wird, welche Synergien zwischen Integrierter Versorgung bzw. Soteria und dem Weddinger Modell bestehen, welche Haltung empfohlen wird und wie das Weddinger Modell implementiert und evaluiert werden kann.
Ich habe keine praktischen Erfahrungen mit dem Weddinger Modell, und ich arbeite nicht in einer Klinik, in der das Modell implementiert werden soll (soweit ich weiß). Ich kenne psychiatrische Arbeit durch meine Krankenpflegeausbildung vor 25 Jahren und meine aktuelle Tätigkeit als klinische Psychologin jedoch sehr gut und weiß, wie wichtig und unbedingt notwendig der Einbezug der Betroffenen in Entscheidungen, in die Behandlung etc. ist. Dementsprechend neugierig war ich auf Das Weddinger Modell, über das ich vor der Lektüre nur eher wenig wusste.
Mir gefällt der resilienz- und ressourcenorientierte Ansatz des Weddinger Modells, der den in der Psychiatrie häufig dominierenden defizit- und pathologiefokussierten Ansichten gegenübersteht, und ich empfand das Buch mit den weitreichenden Informationen und dem hohen Praxisbezug als sehr gute Möglichkeit, das Weddinger Modell besser kennenzulernen. Für all jene, die das Modell selbst in der Klinik einführen möchten, bietet das Buch zudem detailliertes Wissen darüber, wie dies bewerkstelligt werden könnte.
Das Weddinger Modell zeigt – neben anderen Konzepten wie Safewards und insbesondere Soteria -, dass die Behandlung (schwerer) psychischer Erkrankungen auch anders funktioniert, als uns die Mainstreambehandlung suggeriert. Auch aus diesem Grunde halte ich Das Weddinger Modell für ein wichtiges Buch, dem ich viele Leser wünsche.
„Das Weddinger Modell ist […] der Versuch, in der psychiatrischen Praxis den Weg konsequent weg von einer symptomfokussierten und defizitorientierten Haltung hin zu einer konsequent personenzentrierten und ressourcenorientierten Perspektive zu beschreiten.“ (Seite 25)
Lieselotte Mahler, Ina Jarchov-Jádi, Christiane Montag und Jürgen Gallinat: Das Weddinger Modell. Resilienz- und Ressourcenorientierung im klinischen Kontext. Psychiatrie VErlag, 2014, 270 Seiten; 35 Euro.