„Die Geschichte lehrt uns: Die beste Zeit, in Tokio zu leben, ist genau jetzt. Denn davon werden wir in zehn bis zwanzig Jahren den Spätgeborenen vorschwärmen. Die werden gütig lächeln und uns den Spaß lassen, bevor sie ihrerseits ein paar Jahre später den jungen Leuten weismachen, dass Tokio leider nie wieder so sein wird wie in den 2030ern und 2040ern. Und sie werden recht haben.“ (Seite 12)
Andreas Neuenkirchen, der seit 2016 mit seiner japanischen Frau und der gemeinsamen Tochter in Tokio lebt, erzählt in Happy Tokio von Stundenhotels und Tempeln, Architektur und Effizienz, Kirschblüten und Pokémon, Pollenallergie und Grippeschutzmasken, Regenzeit und Kakerlakenzeit, Shibuya Crossing und Godzilla, CDs und Vinyl, Raupe Nimmersatt und Krähen, Parks und Bahnhöfen, Nudelrestaurants und Buchläden, Spielplatzdebüt und Banken, Haifischflossensuppe und Walfangschiffen, Yokohama und Hakone, Wohnraum und Erdbebensimulationswagen, Showa-Zeit und Kaisern, Haarschnittmädchen und Geishas, Eulencafé und Maid Cafés, Natto und Tanmen, Reinheitsgebot und Oktoberfest, Karaoke und Konbini, Punktsammelkarten und 100-Yen-Shops, Tätowierungen und Schwimmbädern.
Bereits mit dem humorvollen und neugierig machenden Einstieg ins Buch hat mich Neuenkirchen für sich gewonnen, und auch im Verlauf empfand ich das Buch zu jedem Zeitpunkt amüsant, spannend und informativ.
Neuenkirchen hat keinen gewöhnlichen Reisebericht geschrieben, der dem Leser Sehenswürdigkeiten nahebringt, sondern er gewährt mit Happy Tokio Einblicke ins alltägliche Leben in Japan im Allgemeinen und Tokio im Besonderen, zeigt, welche Hindernisse er als Mitteleuropäer überwinden musste, wo es Verständnisprobleme gab und gibt, was ihm an Japan besser als an Deutschland gefällt und umgedreht. Mir hat dieses Konzept ausgezeichnet gefallen, denn ich wurde nicht nur über knapp 300 Seiten hinweg perfekt unterhalten, sondern ich habe auch viele Dinge gelernt, von denen ich sonst anscheinend niemals gehört oder gelesen hätte.
Mit großartigem Sprachwitz zeigt Neuenkirchen die Schönheit, aber auch die Hässlichkeit Tokios, kramt Absurditäten und Kuriositäten aus seiner Andenkenkiste, aber lässt den Leser ebenso an ganz alltäglichen Situationen teilhaben. Diese Mischung hat mich zum ersten Mal überhaupt neugierig auf Tokio gemacht, eine Stadt, in die es mich bislang nicht gezogen hat, die ich mir jetzt aber gerne mit eigenen Augen anschauen würde.
Ich habe die Lektüre durchweg sehr genossen, und Happy Tokio hat mich – ganz im Sinne des Titels – beim Lesen tatsächlich glücklich gemacht.
Andreas Neuenkirchen: Happy Tokio. Mein neues Leben in Japans hässlich-schönster Stadt. DuMont Reiseverlag, 2018, 293 Seiten; 14,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Japan-Themas im April 2018.