„Wie man aussieht und woher man kommt, verrät in Saudi-Arabien oft schon den sozialen Status und bestimmt daher, wie man behandelt wird. Die ausgeprägte, auch nach Herkunftsländern gegliederte Klassengesellschaft Saudi-Arabiens bedingt einen alltäglichen Rassismus. Einen Europäer wird man nie für den Hausboten oder Teejungen halten. Einen Afrikaner nie für eine Führungskraft. Eine ostasiatische oder afrikanische Frau wird man automatisch für die Nanny oder das Hausmädchen eines Saudis halten, nie für dessen Gattin. Entsprechend werden die Menschen je nach Herkunft und Ethnie taxiert und direkt unterschiedlich behandelt. Jeder wird anhand der Herkunft in eine soziale Schublade gesteckt, und ganz unabhängig vom Einkommen sind alle Saudis in der obersten Schublade.“ (Seite 37)
Von 2006 bis 2016 lebte Toni Riethmaier in Saudi-Arabien und leitete in Dschidda ein italienisches Restaurant. In Inside Saudi-Arabien berichtet er von seinen Eindrücken und erzählt von Laufen und Autofahren, Bagala und Hypermarket, Dschidda und Riad, Leben innerhalb und außerhalb der Städte, Reichtum und Armut, Rub al-Khali und Battoulah, Al-Saud und Wahhabismus, Expats und Parallelgesellschaften, Sponsor und Iqama, Schamach und Agal, Thoub und Abaya, Kinderehe und Flirten, Islam und Kaaba, halal und haram, Mutawa und Scharia, Wasta und Korruption, Hocharabisch und Dialekt, Tea Boy und Barbier, Fast-Food-Ketten und Street Food.
Ich habe mich schon etwas intensiver mit Saudi-Arabien beschäftigt, aber eher mit Themen wie Scharia, Todesstrafe, Menschenrechtsverletzungen sowie Islam, Medina, Mekka und Kaaba. Riethmaier hat mir durch sein Buch sehr tiefe Einblicke in ein Gesamtpaket gewährt: ein Land mit all seinen Facetten, ein Land, das sich gegen Neuerungen und die Moderne sperrt, ein Land das dennoch im Aufbruch ist.
In Inside Saudi-Arabien erfährt der Leser vom Alltag, vom echten Leben in Saudi-Arabien, wodurch man extrem spannende und wertvolle Kenntnisse über das Land erhält. Durch die Gegenüberstellung von Schein und Sein sowie durch das Erwähnen positiver und negativer Aspekte hat Riethmaier mir ermöglicht, das Land auf komplexe Weise kennenzulernen und mir Saudi-Arabien nahe zu bringen.
Nach der Lektüre des Buches habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich mir Saudi-Arabien gerne selbst einmal anschauen würde – ein Wunsch, den ich bis dato noch nie hatte, im Gegenteil: Ich war mir immer sicher, dass ich um Saudi-Arabien aufgrund der politischen Situation und des Wahhabismus einen ganz großen Bogen machen möchte. Dass es mir als Frau, Nicht-Muslima und Europäerin soundso versagt bleiben wird, das Land je zu betreten, steht auf einem anderen Blatt.
Dass das Buch etwas Besonderes ist und – vielleicht erstmals in deutscher Sprache – so tiefe Einblicke in das alltägliche Leben in Saudi-Arabien ermöglicht, wird auch nicht durch die Tatsache geschmälert, dass Inside Saudi-Arabien inhaltlich bisweilen etwas repetitiv ist und meiner Meinung nach deutlich straffer und kompakter hätte erzählt werden können.
Mir hat die Lektüre trotz kleinere Abstriche sehr gut gefallen, und vor allem bin ich Riethmaier sehr dankbar für die Einblicke in ein unbekanntes Land.
Toni Riethmaier: Inside Saudi-Arabien. Mein Leben als Deutscher in einem der verschlossensten Länder der Welt. riva Verlag, 2017, 269 Seiten; 16,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Themas „Arabische Halbinsel“ im Februar 2018.
Liebe Romy,
das ist ja total spannend, was das Buch so alles erzählt. Für mich ist dieses Land ja auch so ein rotes Tuch und ich kann kaum emotionsfrei darüber sprechen. Da dich diese Lektüre so begeistern konnte, habe ich sie mir mal notiert! Sehr interessant fand ich „Liebe auf Arabisch“ von Leila B. Hier erzählen vier Frauen anonym über Sex, Ehebruch und ihre intimsten Geheimnisse. Es ist schon krass, was so hinter dem Schleier und verschlossenen Türen alles passiert… 😀 Der Titel hört sich sehr kitschig an, aber ich habe das Buch damals sehr gerne gelesen.
GlG, monerl
Das merk ich mir! Der Titel klingt tatsächlich sonderbar, aber der Inhalt spannend. Danke!