„So sind in Großstädten wie Berlin, Dresden, Bremen und Koblenz bereits ganze Stadtteile unter der Kontrolle von zivilisationstauglichen Raben und Krähen. Sie zwacken den Hunden in die Schwänze, greifen sich die Bretzel aus der Babyhand, reißen gelbe Säcke auf und picken für den Nestbau Dichtungen aus den Fenstern.“
Anders als Tiere und Pflanzen, die sich an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen müssen und nur dann überleben, wenn sie dies erfolgreich bewältigen, modifiziert der Mensch seine Umwelt so, dass sie für ihn und seine Bedürfnisse passt.
„Mittlerweile haben die Anpassungsleistungen des Menschen jedoch Dimensionen erreicht, die deutliche Spuren in der Umwelt hinterlassen und dadurch den Anpassungsdruck auf deren Bewohner extrem erhöhen. […] Der Mensch verändert die Umwelt in einem Eiltempo, das normalerweise in der Evolution nicht vorkommt; es sei denn, dass ein Meteor einschlägt oder gleich mehrere Vulkane ausbrechen.“
Der Wissenschaftsjournalist Jörg Zittlau erzählt in seinem Buch Leg dich nicht mit Krähen an! auf ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Weise von orakelnden Cephalopoden, AKW-verstopfenden Mondquallen, Emu-Kriegen, U-bahn-fahrenden Straßenhunden, zählenden Krähenvögeln, übergriffigen Elefanten, lügenden Schimpansen, empathischen Ratten, eingeschleppten Aga-Kröten und radioaktiven Staren.
Mir hat die Lektüre von Leg dich nicht mit Krähen an! viel Freude bereitet, und obwohl ich mich schon recht intensiv mit Tieren beschäftigt habe, bin ich hier auf erstaunliche Geschichten gestoßen, von denen ich bisher noch nie gehört oder gelesen hatte. Diese Geschichten sind häufig so skurril, absonderlich und faszinierend, dass ich beim Lesen oft ein Lächeln im Gesicht hatte, weil sie Tiere von einer ungewöhnlichen Seite zeigen, immer wieder deutlich machen, wie gerissen Tiere sind, und veranschaulichen, wie hilflos der Mensch Tieren oft gegenübersteht, obwohl er sich selbst gern als „Krone der Schöpfung“ betrachtet.
Damit finde ich das Buch nicht nur besonders spannend und informativ, sondern auch wichtig, so dass ich es allen empfehle, die sich intensiver mit Tieren sowie mit den Konsequenzen menschlichen Verhaltens auseinandersetzen möchten. Ich lege interessierten Lesern zudem Das sechste Sterben von Elizabeth Kolbert sehr ans Herz.
Jörg Zittlau: Leg dich nicht mit Krähen an! Wie Mensch und Tier zusammenleben können. Aufbau Taschenbuch, 2017, 247 Seiten; 9,99 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Rabenvögel-Monatsthemas im September 2020.