Wir sehen uns im August von Gabriel García Márquez

„Es war der einzige einsame Platz, an dem sie sich nicht einsam fühlen konnte.“ (Seite 19)

Wie in den Jahren zuvor kommt die 46-jährige Ana Magdalena Bach am 16. August mit der 3-Uhr-Fähre auf eine Karibikinsel, um am Grab ihrer Mutter Gladiolen abzulegen.

Doch dieses Jahr passiert etwas Neues: Sie lernt in der Hotelbar einen Mann kennen und verbringt die Nacht mit ihm. Während sie schläft, verschwindet der Mann und hinterlässt einen 20-Dollar-Schein in ihrem Buch.

Ana Magdalena Bach kehrt zurück zu ihrem Mann und in ihr alltägliches Leben, doch die Nacht mit dem Fremden hat sie verändert, und als sie im darauffolgenden Jahr wieder zur Insel reist, möchte sie nicht nur Blumen zum Grab ihrer Mutter bringen.

Ich kann mich noch genau an den Heidelberger Sommer vor mehr als 25 Jahren erinnern, in dem ich Gabriel García Márquez für mich entdeckte. García Márquez zu lesen ist für mich deshalb nicht nur eine literarische Freude und nimmt mich nicht nur mit nach Lateinamerika, sondern weckt auch immer wieder eigene Erinnerungen an Heidelberg und an mein frühes Erwachsenenalter.

Mit Ausnahme von Hundert Jahre Einsamkeit, einem Roman, den ich sehr liebe, habe ich viele Jahre kein Buch von García Márquez gelesen/gehört, so dass Wir sehen uns im August meine erste Begegnung mit dem kolumbianischen Autor nach einer recht langen García-Márquez-Pause war.

Obwohl ich die Umstände der Veröffentlichung von Wir sehen uns im August moralisch zweifelhaft finde – García Márquez hat sich vor seinem Tod selbst gegen eine Veröffentlichung bzw. sogar für eine Vernichtung des Manuskripts ausgesprochen -, habe ich die Lektüre sehr genossen. Zwar ist das Buch nicht so ausgefeilt wie andere Romane des Literaturnobelpreisträgers, doch auch in Wir sehen uns im August kommt García-Márquez-Atmosphäre auf: Das Buch ist stimmungsvoll, leidenschaftlich, blumig und magisch, die Personen sind überzeugend, die Beschreibungen der Handlungsorte versetzen einen nach Lateinamerika, die Sprache ist, obwohl sie sprunghafter ist als von García Márquez gewohnt, meisterhaft.

Dieser kurze Roman hat mir wieder unbändige Lust auf einen der älteren Romane García Márquez’ gemacht, und nun bin ich schon voller Vorfreude auf eine erneute literarische Reise nach Kolumbien.

Gabriel García Márquez: Wir sehen uns im August. Übersetzung von Dagmar Ploetz. Kiepenheuer & Witsch, 2024, 144 Seiten; 23 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!