„Ich wusste nicht mehr, wie ich helfen konnte, also habe ich mein Klavier mit in die Gassen genommen und begonnen, Lieder zu spielen, um den Menschen Mut zu machen.“ (Seite 257)
Aeham Ahmad, in Damaskus geboren und im Damaszener Vorort Yarmouk aufgewachsen, wurde schon früh von seinem Vater musikalisch gefördert. Was von Ahmad anfangs oft als Belastung empfunden wurde, wandelte sich schließlich zu einer Leidenschaft fürs Klavierspielen und für die Musik und wurde nach Ausbruch des Krieges in Syrien letztendlich zu einer Überlebensstrategie und einer Möglichkeit, sich selbst und anderen Menschen Mut und Hoffnung zu schenken, beim Durchhalten, Weiterkämpfen und Überleben zu helfen.
Ahmad, der als „Pianist aus den Trümmern“ berühmt geworden ist, erzählt in seinem Buch Und die Vögel werden singen vom Leben in Damaskus vor dem Krieg, von seinen Eltern und seiner Kindheit, von seinem blinden Vater und dessen Ehrgeiz, von der Geschichte seiner Familie, die ursprünglich aus Palästina stammte, aber 1948 aus ihrer Heimat vertrieben wurde, von Klavierunterricht und der Allgegenwart von Musik, von seiner Liebe zum Klavier und seiner Karriere als Pianist, vom Beginn der Unruhen und dem Ausbruch des Krieges, von Belagerung und Hunger, von seiner Flucht nach und dem Einleben in Deutschland.
Ich habe die Tage schon Der Cellist von Sarajevo von Steven Galloway gelesen, einen Roman, der teilweise auf einer wahren Begebenheit beruht und den Leser mitnimmt zum Krieg in Bosnien und zur Belagerung Sarajevos. Und die Vögel werden singen ähnelt Galloways Buch stellenweise sehr und zeigt so die Universalität des Krieges: Bomben, Scharfschützen, Checkpoints, Isolation, Hunger, Elend, Tod, Angst, Bedrohung, Wegfall von allem, was zuvor Alltag und Routine war.
Beide Bücher haben mich sehr berührt, doch Und die Vögel werden singen sogar noch mehr als Der Cellist von Sarajevo, denn Ahmad erzählt hier, mit Hilfe von Sandra Hetzl und Ariel Hauptmeier, sehr ausführlich die Geschichte seiner Kindheit, seiner Jugend und seines Erwachsenenlebens, seiner Familie und seiner Freunde, von Syrien vor dem Krieg und im Krieg, seinem Leben in einem Zuwandererland. Ahmad ermöglicht es dadurch zu sehen, wie sich ein Leben durch Krieg wandelt, wie ein Individuum beeinträchtigt wird, was ein einzelner Mensch erduldet, verliert, vermisst.
Und die Vögel werden singen ist ein Buch über eine tragische Geschichte, die gleichzeitig wunderbar, hoffnungsvoll und warmherzig ist. Ich kann die Lektüre des Buches jedem ans Herz legen und empfehle zudem eine Internetrecherche, um Ahmad spielen zu hören und zu sehen.
Nachtrag:
Vor ein paar Tagen erreichte mich die traurige Nachricht, dass der palästinensische Fotograf Niraz Saied, der das berühmte Foto von Ahmad am Klavier inmitten von Ruinen aufgenommen hat, das auch das Buchcover ziert, nach dreijähriger Haft in einem syrischen Gefängnis gestorben ist.
Aeham Ahmad: Und die Vögel werden singen. Ich, der Pianist aus den Trümmern. Aufgeschrieben von Sandra Hetzl und Ariel Hauptmeier. S. Fischer, 2017, 368 Seiten; 20 Euro.
Dieser Post ist Teil des Levante-Monatsthemas im August 2019.