The Five. Das Leben der Frauen, die von Jack the Ripper ermordet wurden von Hallie Rubenhold

„[…] zwei Frauen, deren Leben und Sterben unsere Sicht auf das 19. Jahrhundert mitbestimmen sollten. Die eine war Königin Victoria, die der Ära von 1837 bis 1901 ihren Namen gab. Die andere war eine obdachlose Frau, Mary Ann Nichols, auch Polly genannt, die in dem fraglichen Jahr auf dem Trafalgar Square kampierte. Anders als im Fall der Monarchin geriet ihr Name in Vergessenheit, jedoch erinnerte sich die Welt mit Faszination und sogar mit einer gewissen Wollust an den Namen ihres Mörders: Jack the Ripper.“ (Seite 20)

Hallie Rubenhold erzählt in The Five nicht nur von Mary Ann Nichols, Annie Chapman, Elizabeth Stride, Catherine Eddowes und Mary Jane Kelly, sondern lässt auch das Viktorianische Zeitalter wiederauferstehen.

Rubenholds Beschreibungen des royalen London und des Elends der Menschen, die in den Armenhäusern der Stadt dahinvegetieren oder am Trafalgar Square unter freiem Himmel nächtigen, sind lebendig und stimmungsvoll, versetzen einen beim Lesen vor Ort, ermöglichen dem Leser Einblicke, die man sonst selten bekommt.

Rubenhold schreibt respektvoll und wertschätzend von den fünf Frauen, erzählt detailliert und anschaulich, wie sie aufgewachsen sind, wie sie durch harte Arbeit versucht haben, ein besseres Leben zu haben, wie das Schicksal ihnen immer wieder Steine in den Weg gelegt hat, wie sie letztendlich scheiterten.

Rubenhold zeichnet ein düsteres, dreckiges und erbarmungsloses Bild vom Leben in London am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie erzählt von bitterster Armut, Schmutz, Tod, Prostitution, Gewalt, schier unvorstellbarem Elend, Ungeziefer, Hunger, Alkoholismus, Tuberkulose, Typhus und Scharlach, aber auch vom fortwährenden Kampf um eine bessere Zukunft, von Unterstützung und Solidarität.

Seit meiner Jugend bin ich fasziniert von Jack the Ripper, habe einiges zum Thema gelesen, aber erst durch Rubenholds Buch bemerkt, dass es dabei nie um die Opfer, immer nur um den Täter ging. Manchmal braucht man also ein Buch oder einen Hinweis, um sich überhaupt darüber klar zu werden, dass es eine Lücke gibt, dass bei der Betrachtung von bestimmten Ereignissen etc. eine immergleiche Perspektive eingenommen wird. Schon allein aus diesem Grund war ich neugierig auf und sehr interessiert an The Five, und nach der Lektüre kann ich sagen, dass ich Rubenhold dankbar bin, dass sie diese 130 Jahre alte Lücke gefüllt hat, dass sie den fünf Frauen eine Plattform und eine Bühne geboten hat.

„Heute gibt es nur noch einen Grund, an der Überzeugung, dass Jack the Ripper ein Prostituiertenmörder war, festzuhalten: Sie füttert die Industrie, die aus dieser Mythologie erwachsen ist. Zweifellos bietet die Geschichte um Jack the Ripper viel Stoff. Sie ist die Schauergeschichte von einem Ungeheuer auf freiem Fuß, das im nebelumwaberten London die dunklen Straßen durchstreift. Sie ist voller Spannung und Grauen und enthält einen gewissen sexuellen Kitzel. Doch sie ist auch eine einseitige Geschichte, die sich lediglich um die Ergreifung eines Mörders dreht.“ (Seite 369)

Hallie Rubenhold: The Five. Das Leben der Frauen, die von Jack the Ripper ermordet wurden. Aus dem Englischen von Susanne Höbel. Nagel & Kimche, 2020, 424 Seiten; 24 Euro.

Dieser Post ist Teil des Monatsthemas „Viktorianisches Zeitalter“ im März 2022.

2 Gedanken zu „The Five. Das Leben der Frauen, die von Jack the Ripper ermordet wurden von Hallie Rubenhold“

  1. Huhu!
    Schon seltsam, wie viel Faszination der Name Jack the Ripper noch immer bei einem selbst auszulösen vermag, nicht wahr? Mir ist auch gerade aufgegangen, dass ich bis auf den Namen Annie Chapman keines der Opfer auch nur wirklich namentlich benennen könnte. Mir scheint, du hast mit diesem Buch auf jeden Fall ein glückliches Händchen bewiesen =)

    Alles Liebe!
    Gabriela

    1. Ja, finde ich auch. Nach einer so langen Zeit und so vielen Büchern/Filmen etc. zum Thema.

      Ich habe das Buch irgendwo in den sozialen Medien entdeckt und bin direkt neugierig geworden. Gute Entscheidung, das Buch dann auch zu lesen!

      Liebe Grüße und schöne Weihnachten.

Dazu hab ich auch was zu sagen!