So fängt das Schlimme an von Javier Marías

„Thus bad begins and worse remains behind“

Der 23-jährige Juan de Vere arbeitet als Assistent für den Filmemacher Eduardo Muriel, der mit seiner Frau Beatriz Noguera und ihren drei Kindern in Madrid lebt. Juan übernachtet häufiger bei Eduardo, da die beiden bis spät in die Nacht mit ihrer Arbeit beschäftigt sind, und wird so Zeuge der sonderbaren Beziehung zwischen Eduardo und Beatriz, beobachtet, wie herablassend und abweisend Eduardo seine Frau behandelt, die dem Ganzen mit Hoffnung, Demut und scheinbar ohne jeden Selbstrespekt entgegentritt.

Juan möchte erfahren, was in der Vergangenheit zwischen Eduardo und Beatriz passiert ist, was zu der Veränderung zwischen den beiden geführt hat. Doch obwohl er Beatriz verfolgt und beobachtet, dadurch Einblicke in ihre Geheimnisse und ihre Sehnsüchte bekommt, findet er keine Antwort darauf, was den Bruch zwischen ihr und Eduardo verursacht hat.

Javier Marías ist einer meiner Lieblingsautoren, und ich habe Mein Herz so weiß und Morgen in der Schlacht denk an mich unzählige Male gelesen und war/bin jedes Mal aufs Neue begeistert. Auch Die sterblich Verliebten hat mir sehr gut gefallen, doch So fängt das Schlimme an hat mich ähnlich fasziniert und aufgewühlt wie die beiden erstgenannten Romane.

Marías macht es dem Leser nicht sehr einfach: Die Sätze sind lang und verschachtelt, weisen unzählige Einschübe auf. Doch die konzentrierte Lektüre lohnt sich, denn er ist ein exzellenter Beobachter, der detailgenau beschreibt, Situationen minutiös wiedergibt, dabei häufig die Zeit dehnt, den Leser so an den Ort des Geschehens versetzt, ihn beinahe zum Augenzeugen seiner Geschichte macht.

Der Einstieg ins Buch hat mir sehr gut gefallen, doch die nächsten 100 Seiten empfand ich bisweilen als Herausforderung, denn die Geschichte kommt erst recht spät in Schwung, auch wenn man am Ende weiß, dass kein Satz zu viel war und alle Details bedeutsam gewesen sind. Wie immer bei Marías ziehen sich Gedanken und Bemerkungen durch das gesamte Buch, Themen wiederholen sich immer wieder, werden bisweilen im gleichen Wortlaut wiedergegeben, bisweilen von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. In So fängt das Schlimme an ist dies unter anderem der Satz aus Shakespeares Hamlet („Thus bad begins and worse remains behind“), der sich als Leitmotiv durch den gesamten Roman zieht. Und wie immer bei Marías möchte man sich beim Lesen Sätze anstreichen, die einen beim Lesen bewegt oder nachdenklich gemacht haben oder schlichtweg Bekanntes auf so pointierte Weise wiedergeben, wie man es selbst nie schaffen würde.

Ich bin eine sehr schnelle Leserin, aber an So fängt das Schlimme an habe ich fast zwei Wochen gelesen und musste zwischendurch sogar eine Lesepause einlegen. Doch ab der Hälfte des Romans habe ich das Buch kaum noch zur Seite gelegt und habe die letzten 300 Seiten fast am Stück gelesen.

So fängt das Schlimme an ist sicher keine einfache Lektüre für zwischendurch, aber spätestens ab der Hälfte des Romans übt die Geschichte einen unglaublichen Sog auf den Leser aus.

Javier Marías: So fängt das Schlimme an. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Fischer Verlage, 2017, 640 Seiten; 13 Euro.

Dieser Post ist Teil des Spanien-Monatsthemas im Mai 2019.

4 Gedanken zu „So fängt das Schlimme an von Javier Marías“

  1. Da haben wir wieder mal den gleichen Geschmack! Javier Marías ist auch einer meiner Lieblingsautoren. Dieses Buch habe ich zwar noch nicht gelesen, klingt aber ganz nach einem typischen Marías im besten Sinne. Und was für eine schöne Widmung! Zwei Wochen für dieses Buch finde ich übrigens immer noch sehr flott, Du bist wirklich schnell 🙂

    1. Welche Bücher von ihm kennst du denn? Mein allerliebster Liebling ist Mein Herz so weiß. Ich hab eben mal überlegt, wie oft ich das schon gelesen habe… Bestimmt 5 Mal, und es wird mal wieder Zeit :-).

      Die Widmung fand ich auch ganz wunderbar, deshalb musste sie hier mit rein.

      Ende des Monats kommt ja sein neuester Roman raus, bin sehr gespannt!

      Liebe Grüße an dich!

      1. Ja, ich denke Mein Herz so weiß ist mein Lieblingsbuch überhaupt. Dann kenne ich noch Morgen in der Schlacht…, Der Gefühlsmensch, Die sterblich Verliebten und den ersten Band von Dein Gesicht morgen. Die ein oder andere Geduldsprobe war da vielleicht mal dabei, aber letztlich sind sein Stil und seine Gedankenwelt immer faszinierend.
        Liebe Grüße zurück!

        1. Mein Herz so weiß ist auch mein Lieblingsbuch aller Zeiten :-)! Die anderen erwähnten Bücher kenne ich auch (außer Dein Gesicht morgen), außerdem die Erzählungen. Ich sehe das ähnlich wie du: Auch wenn mir ein Buch von ihm nicht vollends gefällt, ist sein Stil doch immer wieder wunderbar. Bin sehr auf das neue Buch gespannt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert