Sakari lernt, durch Wände zu gehen von Jan Costin Wagner

„Und die Krankheit, an der er gelitten hat, habe ich nur als etwas Bedrohliches wahrgenommen, ich wollte damit nichts zu tun haben […].“ (Seite 115 der gebundenen Ausgabe)

Auf dem Marktplatz im finnischen Turku steht ein nackter Mann in einem Springbrunnen. Er hat ein Messer bei sich, und als ihm der Polizist Petri Grönholm zu nahe kommt, beginnt der Mann, sich selbst zu verletzten. Die Situation eskaliert, und Petri erschießt den Mann, der – wie er schließlich feststellt – eigentlich noch ein Junge war.

Petri kann später gar nicht mehr genau sagen, wieso er den Jungen, Sakari Ekman, getötet hat, wird von Schuldgefühlen geplagt und versucht herauszufinden, wer Sakari war und wieso er nackt im Springbrunnen stand. Dabei hilft ihm sein Kollege Kimmo Joentaa, der die Eltern des Toten aufsucht, dabei selbst in Gefahr gerät und von einer weiteren Katastrophe erfährt, die sich Jahre zuvor zugetragen hat.

Sakari lernt, durch Wände zu gehen ist der sechste Kimmo-Joentaa-Roman, jedoch mein erster Band der Reihe. Ich hatte dennoch keinerlei Probleme, in die Geschichte zu finden, und bin deshalb sicher, dass man die einzelnen Bände gut unabhängig voneinander lesen kann.

Das Buch beginnt mit einer eher stakkatohaften Sprache, wobei die kurzen Sätze zwar einfach formuliert, aber stets pointiert sind. Bald werden die Sätze jedoch komplexer, obgleich sich der gesamte Roman flüssig liest und ebenso anspruchsvoll wie verständlich geschrieben ist.

Jan Costin Wagner wechselt in seinem Roman die Erzählperspektive sehr schnell, so dass man immer wieder aufs Neue mit einer anderen Sichtweise konfrontiert wird und die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Dadurch stellt Wagner zwar viele Personen vor, doch diese sind so überzeugend charakterisiert, dass man dennoch nicht durcheinandergerät, die Personen und ihre Verbindungen zueinander gut nachvollziehen und verfolgen kann und von der Vielfalt und dem Perspektivenwechsel nicht verwirrt wird.

Die Figuren in Sakari lernt, durch Wände zu gehen vereint, dass sie alle einen Verlust erlitten oder herbeigeführt haben. Manche können sich daran bewusst erinnern, manche werden mit der Nicht-Existenz einer Person konfrontiert, die eigentlich Teil ihres Lebens sein sollte.

Ich empfand Sakari lernt, durch Wände zu gehen als gelungen konstruiert, als packend erzählt und als ein Buch, dass sich sowohl durch den Aufbau als auch durch die Thematik vom Mainstream abhebt.

„Nicht mehr existiert. Einfach so. Die gelebten Momente sind vergangen. Die versäumten Momente auch. Aus und vorbei.“ (Seite 202 der gebundenen Ausgabe)

Jan Costin Wagner: Sakari lernt, durch Wände zu gehen. Ein Kimmo-Joentaa-Roman. Goldmann Verlag, 2019, 240 Seiten; 10 Euro.

Dieser Post gehört zum Finnland-Monatsthema im Januar 2020.

4 Gedanken zu „Sakari lernt, durch Wände zu gehen von Jan Costin Wagner“

  1. Hallo,

    das ist mal wieder eins von diesen Büchern, die ich schon länger lesen will, die ich aber aus unerfindlichen Gründen vor mir her schiebe. (Obwohl, eigentlich ist mir der Grund ja klar – zu viele ungelesene Bücher, zu viele Neuerscheinungen!)

    Deine Rezension klingt so vielversprechend, dass ich das Buch jetzt mal ganz nach oben auf die Liste setze. Wenn ich mein jetziges Buch durchhabe, fange ich direkt damit an!

    LG,
    Mikka

    1. Das klingt wunderbar. Kenne ich auch, und dann ist irgendwann der richtige Moment für ein Buch gekommen. Ich hoffe, es gefällt dir genauso gut wie mir. Wenn du dran denkst, dann sag doch gerne mal Bescheid.

      Liebe Grüße,
      Romy

  2. Du erinnerst mich an eine wunderbare Lesung, in die ich eher zufällig geriet und in der Wagner zu einzelnen Passagen, die er aus diesem Buch las eigene Stücke am Klavier spielte und dazu sang. Sehr begabter Musiker übrigens. Ein sehr stimmiger Abend. Liebe Grüße!

Dazu hab ich auch was zu sagen!