„Wer den Schränker angreift, der greift die Berolina an.“
Berlin, 1927: Adolf Winkler, Vorsitzender des Ringvereins Berolina und bekannt als „der Schränker“, sitzt in Moabit ein und steht kurz vor der Haftentlassung.
Eines Abends wird er von einem Wärter kurz in der Wachstube allein gelassen und dabei von dem neuen Häftling Bruck mit einem Messer angegriffen und gewürgt.
Der Oberaufseher Christian Ritter, der zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter gleich neben dem Gefängnis wohnt und der nach Feierabend zurück ins Gefängnis gekommen ist, um die Schreibmaschine zu holen, die er zuvor vergessen hat und auf der seine Tochter Charlotte jeden Abend übt, schlägt den Häftling Bruck nieder und rettet so Winklers Leben. Doch dieser Vorfall verändert Ritters Leben und das Leben seiner Tochter nachhaltig und sorgt dafür, dass aus der noch jugendlichen Lotte die erwachsene Charly wird.
Volker Kutschers Geschichte entblättert sich durch die drei Erzählstränge („der Schränker“, „der Wärter“, „die Tochter“) langsam und auf sehr fesselnde Weise und wird aus drei ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und weitererzählt.
Ich habe das Hörbuch zwei Mal nacheinander gehört und war versucht, es sogar ein drittes Mal in drei Tagen zu hören, weil ich so begeistert von der Geschichte und den Stimmen war.
Interessanterweise empfand ich gerade die Stimme Winklers ganz am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig. Vor allem beim zweiten Hören war ich aber schlichtweg begeistert von der Auswahl dieses Sprechers, denn Marc Hosemann überzeugt wirklich auf ganzer Linie: Hier spricht ein Mitglied des Ringvereins Berolina, ein gefährlicher und zielstrebiger Mann, der sich nichts vormachen lässt und der schon viel erlebt hat.
Die Stimme des Wärters Ritter, gelesen von David Nathan, hat etwas Weiches und passt zu dem Mann, der loyal und fair ist, der als einer der wenigen Wärter nicht auf der Schmiergeldliste der Berolina steht.
Die Tochter, großartig gelesen von Karoline Herfurth, spricht wie ein junges Mädchen, das gerade erwachsen wird.
Alle drei Sprecher wurden in der Tat perfekt ausgewählt. Zusammen mit Kutschers Geschichte, die ich beim ersten Hören schon spannend fand, beim zweiten Hören jedoch als noch packender erlebt habe, weil ich den Ausgang der Geschichte schon kannte und mich so auf Details und Zusammenhänge konzentrieren konnte, sorgt die passende und sorgfältige Auswahl der Sprecher dafür, dass Moabit ein wahrer Hörbuchschatz und mein Lieblingshörbuch 2017 ist.
Wer die Gereon Rath-Reihe von Kutscher noch nicht kennt, dem lege ich Moabit sehr ans Herz, da man hier einen guten Einblick in Kutschers stimmungsvolle Berlin-Krimis erhält und neugierig auf die sechs bisher erschienenen Bände der Reihe gemacht wird.
Auch diejenigen, die die Gereon Rath-Bücher bereits kennen, sollten Moabit meiner Meinung nach lesen oder (noch besser!) hören, da die Geschichte die anderen Bände inhaltlich ergänzt und sehr atmosphärisch ist. Ich selbst habe nach dem Hören von Moabit große Lust, die Gereon Rath-Reihe erneut zu lesen bzw. zu hören.
Volker Kutscher: Moabit. Gelesen von Karoline Herfurth, David Nathan und Marc Hosemann. Argon Verlag, 2017; 19,95 Euro.
Danke Romy! Bislang kenne ich die Kutscher Reihe nur dem Namen nach, Deine Einschätzung macht Lust auf mehr …
Lies die Kutscher-Reihe unbedingt, die ist wirklich großartig. Und unheimlich, weil man das Erstarken des Nationalsozialismus hautnah mitbekommt.
Moabit ist ein sehr guter Einstieg (meiner Meinung nach besser als das erste Buch der Kutscher-Reihe, das ich nicht so gut wie die folgenden fand). Schönen Tag!