Einsame Schwestern von Ekaterine Togonidze

„Ich kann ohne Diana nicht leben und sie nicht ohne mich. Diese Worte sind wahr, sie entsprechen den Tatsachen, sind kein romantisches Gefasel.“ (Seite 31)

Diana und Lina sind siamesische Zwillinge: „zwei Nervensysteme, zwei Speiseröhren, 4 Lungenflügel, zwei Herzen, […] eine Leber, zwei Gallenblasen, zwei Mägen, […] drei Nieren, ein Mastdarm, ein Urogenitaltrakt, ein reproduktives Organ, weiblich“ (Seite 121).

Die beiden Schwestern sind grundverschieden, fühlen sich von der permanenten Nähe zu einem anderen Menschen gestört und sind gleichzeitig einsam. Nichts gehört nur der einen Schwester, alles wird zwangsläufig geteilt – bis Diana das Tagebuch-Schreiben für sich entdeckt, wodurch sie endlich etwas gefunden hat, was nur ihr gehört. Auch Lina schreibt bald ihre Gedanken und Gefühle nieder, entdeckt, wie befreiend es ist, offen über ihre Eindrücke schreiben zu können und sie nicht mit Diana teilen zu müssen.

Die Mutter der beiden Schwestern ist bei der Geburt gestorben, ihr Vater von der Bildfläche verschwunden, als seine Freundin ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. Aufgewachsen sind die beiden Mädchen bei ihrer Großmutter, doch als diese stirbt, sehen die beiden Schwestern einer ungewissen und beängstigenden Zukunft entgegen.

Auf der Frankfurter Buchmesse bin ich zufällig auf den Roman von Ekaterine Togonidze aus dem Septime Verlag aufmerksam geworden, und nach der Lektüre freue ich mich, dass ich den Roman entdeckt habe, über den ich vollkommen unverhofft gestolpert bin und den ich ansonsten vielleicht nie entdeckt hätte.

Mich hat dieser eindringlich erzählte Roman, der einen seltenen Einblick in das Leben und das Leiden von siamesischen Zwillingen bietet, sehr berührt, bewegt und begeistert, denn er führt einem beim Lesen in voller Deutlichkeit und Erbarmungslosigkeit vor Augen, wie es ist, nie allein zu sein und kaum Privatsphäre zu haben.

Togonidzes Debütroman Einsame Schwestern ist in klarer, schnörkelloser, sachlicher Sprache geschrieben und ist trotz der Einfachheit und der kurzen Sätze anspruchsvoll.

Durch die drei Perspektiven (die Tagebücher von Diana und Lina sowie der Erzählstrang von Rostam Mortschiladze, der einen Brief vom Krankenhaus mit Beileidsbekundungen erhält, die er nicht versteht und die ihn wütend machen) ist der Roman ebenso packend wie abwechslungsreich, und durch die Tatsache, dass die Autorin die körperliche Behinderung der Schwestern mit großer Ehrlichkeit und Direktheit anspricht, ist der Roman meiner Meinung nach ein besonderer Buchschatz, den ich gerne und ohne jede Einschränkung empfehlen kann.

Ekaterine Togonidze: Einsame Schwestern. Aus dem Georgischen von Nino Osepashvili und Eva Profousová. Septime Verlag, 2018, 180 Seiten; 20 Euro.

Dieser Post ist Teil des Kaukasus-Themas im Oktober 2018.

4 Gedanken zu „Einsame Schwestern von Ekaterine Togonidze“

  1. Dieses Buch habe ich vor ein paar Wochen auf Miras Blog entdeckt und ihre Rezi hatte mich schon für das Buch begeistern können! Sehr schön, dass auch du es uneingeschränkt empfehlen kannst. Ich freue mich schon, es dann auch irgendwann zu lesen!
    GlG, monerl

    1. Liebes Monili, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dir das Buch auch gefallen wird. Bin gespannt auf deine Meinung, wenn du denn mal zum Lesen kommst :-). Liebe Grüße!

Dazu hab ich auch was zu sagen!