Die letzte wahre Geschichte von Tahmima Anam

„Wir musterten einander. Du hast den Blick auf mich gerichtet, als seien wir die beiden letzten Menschen auf der Welt. Noch nie hatte mich jemand so angesehen, mit einem so offenen, klaren Blick.“ (Seite 18)

Cambridge, MA: Kurz bevor die 25-jährige Ich-Erzählerin Zubaida die USA verlässt und über Pakistan wieder in ihre Heimat Bangladesch reist, trifft sie auf einem Konzert Elijah. Die beiden sind sich sofort vertraut und verlieben sich ineinander, obwohl Zubaida mit ihrer Jugendliebe Rashid verlobt ist und ihn – ihren Adoptiveltern zuliebe – nach ihrer Rückkehr in die Heimat heiraten wird.

Elijah und Zubaida bleiben auch nach ihrer Abreise aus den USA in Kontakt, schreiben sich SMS mit Liedtexten, haben Sehnsucht nacheinander, doch nach der Hochzeit mit Rashid bricht Zubaida den Kontakt ab.

Als sie eine Tätigkeit bei einer NGO in den Abwrackwerften von Chittagong aufnimmt, holt sie die Vergangenheit wieder ein, und sie begegnet Elijah erneut.

Die letzte wahre Geschichte war ziemlich sicher meine erste literarische Begegnung mit Bangladesch – mit einem Land, das mich als Reiseland nicht wirklich reizt, das ich mit großer Armut und moderner Sklaverei verbinde und über das ich ansonsten kaum etwas weiß. Schon deshalb fand ich die Lektüre von Tahmima Anams letzten Teil ihrer Bangladesch-Trilogie spannend und lohnenswert, und obwohl ich normalerweise keine Liebesgeschichten lesen, muss ich sagen, dass mir diese hier sehr gut gefallen hat, weil sie berührend und gefühlvoll, aber kein bisschen kitschig oder pathetisch ist.

Neben der Liebesgeschichte, die Zubaidas Unentschlossenheit und ihre Zerrissenheit zwischen Elijah und Rashid überzeugend darlegt, vermittelt Die letzte wahre Geschichte zudem einen authentischen Eindruck vom Leben in Bangladesch, vom Alltag der Reichen und der Armen, von der Rolle der Frau und der Ausbeutung von Arbeitskräften.

Sehr gelungen fand ich auch die Herausarbeitung des gemeinsamen Nenners der vielen Handlungsstränge: Alle Protagonisten im Buch sind auf der Suche. Sie suchen nach dem für sie passenden Leben zwischen zwei Kulturen, nach dem richtigen Partner, nach einem seltenen Fossil, nach wissenschaftlichem Erfolg, nach Anerkennung, nach Liebe, nach einem Menschen, den man vor vielen Jahren zurückgelassen hat und nun wiederfinden möchte, nach Herkunft und Identität.

Die eingeschobene Geschichte um den armen Bengalen Anwar zeigt eine andere Seite Bangladeschs, die fernab der wohlhabenden Welt von Zubaida und Rashid liegt, die das Leben der Ärmsten und Verzweifelten zeigt und die mich häufig an Das Gleichgewicht der Welt von Rohinton Mistry erinnert hat.

Tahmima Anam: Die letzte wahre Geschichte. Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger. Insel, 2018, 463 Seiten; 14,95 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!