„Er sucht nach keiner Entschuldigung. Er sieht lieber seinem Schicksal entgegen und ist bereit, für alles zu zahlen.“ (CD 1 , Track 2)
Bis zu seinem Tod im Jahre 1979 war Jacques Mesrine in Frankreich Staatsfeind Nummer eins. Seine Autobiografie Der Todestrieb schrieb er 1977 im Hochsicherheitstrakt eines Pariser Gefängnisses, bekannte sich darin zu 39 Verbrechen und kritisierte die Haftbedingungen. Seinetwegen wurde das sogenannte „Loi Mesrine“ erlassen, das besagt, dass niemand Gewinn mit der Veröffentlichung seiner Verbrechen machen dürfe.
In der gekürzten Hörbuchfassung von Mesrines beeindruckendem Buch, das ich bereits vor mehr als 20 Jahren gelesen habe, erzählt er von Kriegserlebnissen in seiner Kindheit, wo er erstmals mit Tod und Gewalt in Berührung kam, und von seinem ersten getöteten Tier:
„Mein ganzes Leben dachte ich mit einer gewissen Traurigkeit an dieses Ereignis. Vielleicht hatte ich mit dieser Meise das, was es an Gutem in mir gab, getötet.“ (CD 1, Track 4)
Im Folgenden berichtet Mesrine von seiner Jugend, ersten Diebstählen, Betrügereien und Gewalttaten, von Schulschwänzen und Schulverweisen, von Prostituierten und von seiner ersten Ehe und schließlich vom Algerienkrieg, Aggressivität, einer rapiden Zunahme seiner Delinquenz und seinem ersten Mord.
„So riss ich mich selbst immer tiefer hinein, und das Verbrechen wurde für mich das Normalste der Welt.“ (CD 2, Track 3)
Bevor ich vor mehr als 20 Jahren Der Todestrieb zum ersten Mal gelesen habe, hatte ich noch nie von Mesrine gehört. Ich weiß noch, wie sehr mich Mesrine und sein Buch fasziniert und gefesselt haben, und auch das Hörbuch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es stark gekürzt ist.
Trotz der massiven Kürzungen möchte ich das Hörbuch sehr empfehlen, denn es wird von Claude Oliver Rudolph nicht nur grandios gelesen, sondern ist durch die musikalische Untermalung auch sehr dramatisch, jedoch nie effektheischend. Rudolphs markante Stimme passt hervorragend zu Mesrine und gibt dem Hörbuch eine überzeugende Färbung und viel Tiefe.
Mesrine erzählt sehr detailliert von seinem Leben und seinen Verbrechen, beschönigt seine Gewaltexzesse nicht, wird jedoch nie reißerisch.
Trotz aller Gewalt und der Skrupellosigkeit Mesrines kann ich mich der Faszination, die von ihm ausgeht, nicht recht entziehen, und in Der Todestrieb bekommt man auch eine Idee von der anderen Seite seiner Persönlichkeit. Hierbei darf natürlich nicht vergessen werden, dass es sich um ein autobiografisches Buch handelt, Mesrine hier durchaus manipulativ vorgeht, selbstgerecht ist, sich in besserem Licht darstellt und auch seine herzliche, liebevolle Seite durchschimmern lässt. Nichtsdestotrotz ist Der Todestrieb ein ausgezeichnetes Psychogramm eines Schwerverbrechers, bei dem sich jede Seite der Lektüre lohnt.
Generell möchte ich allen das Buch ans Herz legen, weil man hier noch detailliertere Einblicke ins Mesrines Leben erhält. Das Hörbuch empfiehlt sich meines Erachtens eher für diejenigen, die das Buch bereits kennen, die Erinnerungen daran auffrischen wollen oder eine stimmungsvolle Interpretation von Der Todestrieb kennenlernen möchten.
Jacques Mesrine: Der Todestrieb. Aus dem Französischen von Angela Schmidt und Pierre Gallissaires. Gekürzte Lesung von Claude Oliver Rudolph. Edition Nautilus, 2014; vergriffen.
Jacques Mesrine: Der Todestrieb. Aus dem Französischen von Angela Schmidt und Pierre Gallissaires. Edition Nautilus, 2002, 392 Seiten; 18 Euro.
Dieser Post ist Teil des True Crime-Monatsthemas im Dezember 2019.