„Werden manche Menschen ‚böse‘ geboren? Entscheiden sie sich, ‚böse‘ zu sein, und bleiben es dann ein Leben lang? Auf diese und viele ähnliche Fragen hat die Wissenschaft inzwischen Antworten gefunden. Beide Fragen kann man klar mit ‚Nein‘ beantworten. Doch es gibt Eigenschaften, die manche Menschen stärker entwickeln als andere, wegen derer es ihnen leichter fällt, grausam zu handeln.“ (Seite 11)
Lydia Benecke erzählt in ihrem Buch vom mehrfachen Vergewaltiger und Mörder Rodney Alcala, von Psychopathie und Psychologie, gefühlter und echter Gefahr, Gewissen und Reue, Psychopathie-Checkliste von Robert Hare und Sicherungsverwahrung. Sie bietet im gesamten Buch zudem ausführliche Fallgeschichten, die Psychopathie greifbar und hautnah spürbar machen.
Ich habe schon mehrere Bücher von Benecke gelesen und finde zu ihr deutlich besser Zugang als zu ihrem Ex-Mann, dem Kriminalbiologen Mark Benecke – vielleicht, weil ich – wie sie – Psychologin bin.
Ich habe mich schon intensiver mit Serienmord und mit Psychopathie auseinandergesetzt, so dass mir viele Inhalte des Buches bereits geläufig waren bzw. ich auf viel Vorwissen aufbauen konnte.
Das Buch ist flüssig geschrieben, spannend und bietet sehr viele Informationen über Täter, Opfer, Tathergang, Überführung des Täters, Psychologie und Psychopathologie.
Benecke erzählt hier auch von ihrem eigenen Werdegang und von ihrer frühen Faszination für Psychologie und für Verbrechen, was ich als spannend empfand.
Zwischendurch empfand ich das Buch gelegentlich als etwas langatmig, so dass Auf dünnem Eis für mich nicht das beste Buch Beneckes ist. Allerdings hat mir der entpathologisierende Ton des Buches sehr gut gefallen. Auch die Tatsache, dass Benecke sehr klar zeigt, dass sich zwischen den Polen „gut“ und „böse“ unzählige Grautöne befinden, finde ich eine wichtige Botschaft.
Lydia Benecke: Auf dünnem Eis. Die Psychologie des Bösen. Lübbe, 2020, 352 Seiten; 20 Euro.