„Keine einzige Frage nach der Aufnahmetechnik, kein Staunen über die Authentizität! Farbe, Farbe, Farbe, das ist alles, was sie interessiert.“
Kishone Kumar lebt in Rajasthan und ist Fotograf. Er hält seine s/w-Fotografien für perfekt, und sein Geschäft boomt. Doch dann wünschen sich immer mehr Kunden Farbfotos, und Kishone beschließt, sich mit dem Motorrad auf den Weg nach Leverkusen zu machen, um bei Agfa zu lernen, was man bei der Farbfotografie beachten muss, wie man Farbfilme entwickelt und reproduziert. Zusammen mit seinem Freund Amitabh begibt sich Kishone auf eine abenteuerliche Reise durch Indien, Afghanistan, den Iran und die Türkei.
Der Einstieg ins Buch hat mir hervorragend gefallen. Die ersten 100 Seiten sind sehr stimmungsvoll, die Schilderungen über Indien, die Reise und Fotografie spannend und lebendig. Obwohl die Sätze oft lang sind und viele Nebensatzkonstruktionen aufweisen, liest sich das Buch flüssig und einfach.
Die Protagonisten sind durchweg überzeugend und realistisch charakterisiert. Besonders gut gefallen hat mir, wie es der Autor geschafft hat, sich in die Figuren im Indien der 1970er Jahre hineinzuversetzen. Das Aufeinanderprallen der Kulturen, die Naivität von Kishone und Amitabh, ihre Vorstellungen von Europa und den dort lebenden Menschen empfand ich als sehr gelungen beschrieben und war zudem unterhaltsam.
Nach 100 Seiten wurde mir der Roman aufgrund der Parallelhandlungen jedoch etwas zu konfus und war weniger fesselnd. Die Geschichte hat hier deutlich an Fahrt verloren und lief zudem in eine ganz andere Richtung als erwartet, was ich etwas enttäuschend fand.
Trotz kleinerer Kritikpunkte ist Agfa Leverkusen ein stimmungsvoller Roman über Freundschaft und Liebe, Fotografie und Journalismus, Sehnsucht und Heimat.
Boris Hillen: Agfa Leverkusen. Fischer Taschenbuch, 2016, 448 Seiten; 10,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Fotografie-Monatsthemas im Februar 2022.