„Eher würde er sich umbringen lassen als einzuknicken.“
Felícito Yanaqué ist der Inhaber des Bus- und Fuhrunternehmens Narihualá im nordperuanischen Piura und erhält eines Tages einen Brief mit einer Schutzgeldforderung. Er zeigt sich darüber zwar besorgt, aber er ist sich sicher, dass er nicht zahlen und sich nicht beugen wird. Er bringt die Sache zur Anzeige, doch wenige Tage später erhält er einen zweiten Brief, und dann brennt sein Büro.
In Lima entscheidet sich Don Rigoberto, der Generaldirektor einer Versicherungsanstalt, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Sein Chef Ismael Carrera bittet ihn kurz darauf um ein privates Treffen, und Don Rioberto erwartet, dass sein Chef ihn umstimmen möchte. Stattdessen bittet dieser den verblüfften Don Rigoberto, sein Trauzeuge zu sein, denn er möchte auf seine alten Tage seine fast halb so alte Haushälterin Armida heiraten. Den Zwillingssöhnen von Ismael gefällt das gar nicht, denn dadurch werden sie um ihr Erbe gebracht, und so versuchen sie, Don Rigoberto nach der Hochzeit einzuschüchtern, so dass die Ehe annulliert werden kann.
In Ein diskreter Held erzählt Mario Vargas Llosa somit nicht von EINEM Helden, sondern von zwei Männern, die sich mit unterschiedlichen Problemen herumschlagen müssen, die aber beide standhaft bleiben und sich gegen Repressalien und Einschüchterung wehren. Dabei haben mir die beiden komplexen Geschichten um Don Rigoberto und Felícito Yanaqué sowie um die Familien der beiden sehr gut gefallen, da sie nicht nur unterhaltsam erzählt werden, sondern zudem tiefe Einblicke in das Leben in Peru, den Einfluss der Mafia, die Allgegenwärtigkeit von Korruption bieten.
Sehr gelungen fand ich die für Vargas Llosa typischen Parallelmontagen, die sich durch das ganze Buch ziehen und die Dialoge, welche sich zu unterschiedlichen Zeiten und zwischen verschiedenen Menschen zutragen, miteinander verschmelzen. Dadurch entstehen komplexe Gespräche, die für den ungeübten Leser/Hörer anfangs sicherlich ungewohnt und verwirrend sind, die mir bei Vargas Llosa jedoch immer sehr gut gefallen.
Da ich Vargas Llosa zu meinen Lieblingsschriftstellern zähle und schon sehr viel von ihm gelesen habe, ist mir schnell aufgefallen, dass er in Ein diskreter Held altbekannte Personen auftreten lässt, die man bereits aus früheren Romanen des Autors kennt: Don Rigoberto, seine Frau Lucrecia und ihr Sohn Alfonso (Das Lob der Stiefmutter, Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto) sowie Hauptmann Silva und sein Sergeant Lituma (Wer hat Palomino Molero umgebracht?, Tod in den Anden). Und auch das „grüne Haus“, das Bordell, das dem 1965 erschienenen Roman Vargas Llosas den Titel gab, wird erwähnt.
Weniger gut gefallen haben mir die etwas schlüpfrigen Sexszenen, die mich schon in Vargas Llosas Romanen Die Enthüllung und Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto gestört haben. Für mein Empfinden spiegeln diese nicht die Schreibkunst des Autors wider, und ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass Vargas Llosa das Beschreiben von Sexszenen sein lassen sollte, da ihm dies nicht gelingt und ihn eher banal wirken lässt.
Trotz dieses kleinen Kritikpunktes ist Ein diskreter Held ein spannender Roman mit einem komplexen Kriminalfall und mit phantastischen Elementen. Das Hörbuch wurde zudem durch Gert Heidenreich perfekt intoniert: Seine Stimme ist angenehm, das Sprechtempo genau richtig, so dass ich den Roman auch als Hörbuch empfehlen kann.
Mario Vargas Llosa: Ein diskreter Held. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Gelesen von Gert Heidenreich. der Hörverlag, 2013; 24,99 Euro.