„Der See hatte nicht die eine Farbe, er hatte viele Farben. Es gab das aufgewühlte Flaschengrün nach lang anhaltenden Sommerregenfällen. Es gab das hellschäumende Schieferblau bei Platzregen im Frühling. Und ein stumpfes Schiefergrau an Hochnebeltagen im November. Es gab das Azurblau unter einem strahlend blauen Herbsthimmel, wenn auch rundherum alle Farben satter und voller waren als sonst.“ (Track 14)
Die Polizistin Rosa Zambrano hat sich entschlossen, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Hierfür sucht sie eine Zürcher Kinderwunschpraxis auf und lernt Dr. Jansen kennen, dessen Leiche wenige Tage später von einem Fischer gefunden wird.
Handelt es sich um einen tragischen Unfall, denn bei der Obduktion werden beträchtliche Mengen Drogen in Jansens Körper gefunden, oder hat Jansens Arbeit im Bereich der Genforschung etwas mit seinem Tod zu tun?
Ich kenne Zürich und habe Tiefes, dunkles Blau deshalb mit großer Begeisterung gehört, denn die Beschreibungen von Zürich sind so lebendig und plastisch, dass ich mich beim Hören immer wieder in die Schweizer Stadt versetzt gefühlt habe.
Ich empfand den Schreibstil von Seraina Kobler angenehm, aber die Fülle an (unwichtigen) Details, z.B. bei der Zubereitung von Tee, hat mich manchmal gestört, denn Kobler beschreibt bisweilen kleinste Handlungen so genau, dass das meiner Meinung nach den Lese- bzw. Hörfluss stört.
Ich empfand den Roman selbst als sehr stimmungsvoll, im Verlauf jedoch in Sachen Kriminalfall etwas langatmig, so dass ich Tiefes, dunkles Blau eher als atmosphärisches Zürich-Buch und weniger als Kriminalroman empfehlen würde. Unterhaltsam ist das Debüt von Kobler aber allemal.
Auch die Lesung von Rose Vischer hat mir gefallen, obwohl sie meiner Meinung nach bisweilen Wörter überbetont und dadurch manchmal wenig natürlich liest.
Seraina Kobler: Tiefes, dunkles Blau. Ein Zürich-Krimi. Ungekürzt gelesen von Rose Vischer. Diogenes, 2022; 11,95 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Schweiz-Monatsthemas im Juni 2022.