Insel ohne Wasser, Vogel ohne Flügel von Agnes Fazekas

„aber der Traum von der Unabhängigkeit liegt immer noch am Boden wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln“

Vor zwei Jahren ist Agnes Fazekas nach Tel Aviv gezogen. Nun möchte sie die andere Seite kennenlernen und macht sich auf eine Reise durch das Westjordanland.

In Insel ohne Wasser, Vogel ohne Flügel erzählt sie von Kolonialherrenstraße und Jom HaShoah, Bergdörfern und israelischen Siedlungen, Palästinensischer Autonomiebehörde und Kefije, Ausgrenzung und Angst, Couchsurfing und Hitchhiking, Witzen und Tränengas, Bethlehem und Ramallah, Nablus und Knafeh, Hidschab und Hamam, dem großen und dem kleinen Dschihad, Flüchtlingslagern und Samaritanern, Sukkot und Pessach, Jenin und Selbstmordattentätern, Klettern und Olivenbäumen, Jericho und Hebron.

Ich habe mich schon sehr lange und sehr intensiv mit dem Nahostkonflikt beschäftigt, kenne viele Israelis und Palästinenser, habe Israel/Palästina jedoch noch nie bereist.

Mir hat Insel ohne Wasser, Vogel ohne Flügel von der ersten Seite an sehr gut gefallen, was sicherlich zum Teil am gelungenen Einstieg mit Zitaten von Mahmoud Darwish lag, den ich sehr schätze.

Auch im weiteren Verlauf kann die Autorin jederzeit fesseln, und vor allem ihre Fähigkeit, den Konflikt von zwei Seiten zu betrachten, seine Komplexität zu verstehen und die Welt nicht in Gut und Böse einzuteilen, fand ich sehr sympathisch und wichtig. So bekommt man beim Lesen Einblicke in das Leben in Israel und das Leben in Palästina, liest von bekannten Aspekten und lernt neue Seiten kennen. Auch die Mischung aus persönlichen Erlebnissen, historischen Informationen und politischen Hintergründen ist gelungen und liest sich zudem unterhaltsam, flüssig und fesselnd.

Schön fand ich auch die Zeichnungen der besuchten Orte, die Karte in der vorderen und hinteren Umschlagseite sowie die Angaben zur Entfernung von Jerusalem, so dass man sich beim Lesen eine noch bessere Vorstellung von den Orten, von ihrer geografischen Lage und von der Umgebung machen kann.

Ganz besonders lohnenswert fand ich die Lektüre des Buches, weil die Autorin dem Leser nicht nur die Personen, die Orte und den Konflikt nahebringt, sondern weil sie zudem von einer anderen Seite Palästinas erzählt: vom Alltag unter der Besatzung, vom Leben mit den Siedlern, aber auch von einer gewissen Normalität, vom Humor der Menschen, vom täglichen Leben mit seinen Freuden und seinen Hürden, von besonderen Ereignissen wie Marathonläufen oder Kletterpartien.

Ich kann das Buch vorbehaltlos für alle empfehlen, die sich näher mit dem Nahostkonflikt und seinem Einfluss auf die Bewohner Palästinas und Israels auseinandersetzen und mehr über die Region erfahren wollen.

Agnes Fazekas: Insel ohne Wasser, Vogel ohne Flügel. Im Zickzack durch das Westjordanland. Dumont Reiseverlag, 2015, 300 Seiten; 14,99 Euro.

Dieser Post gehört zum Thema Palästina und Israel im Juni 2017.

Dazu hab ich auch was zu sagen!