„Ich will das Unerforschliche erforschen und das Unsichtbare sehen, ich will Berge ersteigen und hinter die Sterne blicken. Ich will die weißen Flecken auf den Landkarten füllen, die Geografen unterweisen und den Gelehrten die Lampe halten. Der Niger… Stell dir vor, Johnson: Kein Weißer hat ihn je erblickt. Ich werde sehen, was noch keiner von ihnen gesehen hat – nicht der Lord von Dumfries, nicht Charles Fox, ja nicht mal der König.“ (Track 44)
T.C. Boyle erzählt in Wassermusik, seinem ersten Roman, von dem Schotten Mungo Park, der Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Afrika reiste, um die Quelle des Nigers zu suchen und den Verlauf des drittlängsten Flusses Afrikas zu erkunden.
Ein zweiter Handlungsstrang behandelt das Leben von Ned Rise, einem vom Unglück Verfolgten, der jedoch immer wieder auf die Füße kommt und sich irgendwie durchs Leben schlägt.
Wassermusik ist bereits 1982 in den USA und 1987 erstmals in deutscher Sprache erschienen. Der Roman basiert auf der wahren Geschichte von Park, der zwei Reisen ins innerste Afrika unternommen und seine Abenteuer in einem Reisebericht veröffentlicht hat.
Ich habe Wassermusik vor mehr als zwanzig Jahren gelesen. Es war meine erste Begegnung mit Boyle, und der Roman hat mich so sehr begeistert, dass ich seitdem nicht nur zahlreiche Romane des Autors, sondern auch Parks Reisebericht Reisen ins innerste Afrika mit großer Faszination gelesen habe. Nun habe ich das ungekürzte Hörbuch in der Übersetzung von Dirk van Gunsteren gehört.
Bisweilen ist es so, dass man ein Buch nach langer Zeit ein zweites Mal liest oder hört und enttäuscht ist, nicht mehr versteht, was einen damals begeistert hat. Das war hier definitiv nicht der Fall, denn auch das Hörbuch zu Wassermusik konnte mich von Anfang bis Ende mitreißen, hat mich ins tropische Afrika, ins wohlsituierte Leben Parks in Schottland und in das ärmliche Leben Rise‘ in England versetzt.
Die beiden Handlungsstränge sind überzeugend und werden packend erzählt, und der Wechsel zwischen ihnen baut zusätzliche Spannung auf. Dabei verwebt Boyle auf virtuose Weise Realität und Fiktion, haucht seinen Figuren Leben ein, zeichnet überzeugende Handlungsorte, schafft aberwitzige Situationen, bietet ein authentisches Bild des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa und Afrika.
Stefan Kaminski liest den Roman kongenial und lässt den Hörer durchweg gebannt lauschen. Die fast 20 Hörstunden vergingen so wie im Fluge, und am Ende wollte ich am liebsten nochmals mit Boyle das innerste Afrika bereisen.
Wassermusik ist ein ebenso farbenfroher wie düsterer Roman, bietet hervorragende Unterhaltung, einen spannenden Plot und zudem eine gelungene Ergänzung/Abwandlung des historischen Reisebericht Parks.
T. Coraghessan Boyle: Wassermusik. Übersetzt von Dirk van Gunsteren. Komplette Lesung von Stefan Kaminski. der Hörverlag, 2015; 29,95 Euro.
Dieser Post ist Teil des Afrika-Monatsthemas (Länder M bis Z) im Juni 2019 (Mali).