
„Sie hatte mir das Hirn weichgekocht.“ (Seite 11)
Der Protagonist, ein alternder Auftragskiller, hat einen lukrativen Job angenommen: Für einen 7-stelligen Betrag soll er einen Mann töten.
Am liebsten möchte er seinen Job an den Nagel hängen, denn er hat sich verliebt, und seit drei Jahren bricht er deshalb die eiserne Regel seines Berufsstandes, in der feste Bindungen und tiefe Gefühle verpönt und nicht erlaubt sind.
Doch dann wird er zu allem Elend auch noch von seiner Freundin verlassen, muss sich nun nicht nur mit seinem Liebeskummer auseinandersetzen, sondern versucht auch herauszufinden, wer der Mann, den er liquidieren soll, überhaupt ist und warum er sterben soll.
Ich habe vor vielen Jahren Der Alte, der Liebesromane las von Luis Sepúlveda gelesen und bereits von diesem Roman des chilenischen Autors beeindruckt. Tagebuch eines sentimentalen Killers hat mir aber noch besser gefallen.
Sepúlveda, der im April 2020 verstarb, schafft es, eine komplexe Geschichte auf weniger als 100 Seiten zu erzählen. An keiner Stelle hatte ich dabei das Gefühl, etwas fehle, etwas bleibe aufgrund der Kürze unklar, würde nur angerissen, aber nicht ausreichend beschrieben und erklärt.
Tagebuch eines sentimentalen Killers ist damit wirklich ein kleines Wunder, denn der Roman hat mich trotz seiner Kürze so sehr gepackt und überzeugt wie schon länger kein Roman mehr. Die Figuren sind authentisch und lebensnah, der Plot ist fesselnd, die Sprache klar und schnörkellos. Tagebuch eines sentimentalen Killers ist allerdings nicht nur inhaltlich, sondern auch aufgrund der wunderschönen Aufmachung mit dem roten Schnitt ein echtes Kleinod. Große Empfehlung!
Luis Sepúlveda: Tagebuch eines sentimentalen Killers. Aus dem chilenischen Spanisch von Willi Zurbrüggen. Kampa Verlag, 2020, 96 Seiten; 14,90 Euro.