„Aber warum Albanien?“ – So das allgemeine Credo, das wir in den Tagen vor unserer Abreise immer wieder hörten. Die Antwort war ganz einfach: Wir suchten ein Land in Europa, welches wir noch nicht bereist hatten, schauten uns eine Landkarte an und entdeckten das kleine Balkanland am Mittelmeer inklusive der Albanischen Alpen. Nach einer kurzen Bildersuche im Internet stand unser Reiseziel fest.
Wie belastet Albanien von Vorurteilen ist, erlebten wir immer wieder, wenn wir von unserer Reiseplanung erzählten – und dass sich kein einziges dieser Vorurteile bestätigte, erfuhren wir in den zwei Wochen, in denen wir die große Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Albaner genießen durften.
Albanien bietet einem die Möglichkeit, innerhalb weniger zurückgelegter Kilometer die Vielseitigkeit der Welt zu erleben – im Norden die raue und wilde Gebirgslandschaft mit Bergen an die 3000 Meter und im Süden die mediterrane Stimmung mit türkisfarbenem Meer und Fischerdörfern, die sich an die Berghänge krallen.
Unsere Reise begann in Shkodra, einer Stadt, in der es von Fahrradfahrern wimmelt und in der man erleben kann, wie Religionen friedlich nebeneinander leben können. Von unserem Zimmer in einer kleinen, schönen Unterkunft konnte man nicht nur den Ruf des Muezzins hören, sondern auch die Glocken der Kirche, die nur wenige Meter neben der Moschee zum Gottesdienst einlud. Shkodra diente uns jedoch nur als kleiner Zwischenstopp nach Theth in den Albanischen Alpen. Der Weg nach Theth führt über einen waghalsigen Gebirgspass, alles ungesichert. Besonders spannend wird es dann, wenn einem auf der einspurigen Straße nach einer nicht einsehbaren Kurve ein riesiger Laster mit einer noch viel größeren Menge Heuballen entgegen kommt. Die verschwitzten Hände und das Atemanhalten wurden jedoch mit einer bombastischen Aussicht belohnt.
Die Unterkunft in Theth, einem kleinen Bergdorf mit Kirche und einem typischen „Blutturm“, war ein wunderschönes Bauernhaus aus Holz und Stein. Es ist eine der ersten Unterkünfte, die in Theth entstand, und ein echter Familienbetrieb. Bei unserer Ankunft wurden wir sehr freundlich von Gijon, seiner in typischer albanischer Bauerntracht gekleideten Mutter und seinen Kindern begrüßt. Für die Gäste bereitet die Familie jeden Abend ein Menü zu, welches nur aus Zutaten besteht, die sie selbst produzieren oder bei Nachbarn eintauschen – Honig, Marmelade, Käse, Brot, Eier, Gemüse und Obst. Frisches Gletscherwasser kann man direkt aus einem Wasserhahn im Garten zapfen.
Theth diente uns als Ausgangspunkt für zwei wunderschöne Wanderungen zum „Field of Denellit“ und zum „Blue Eye“. Bei beiden Wanderungen begegneten uns kaum Menschen, einzig eine Ziegenhirtin half uns bei der Suche nach dem richtigen Weg.
Den zweiten Teil unserer Reise verbrachten wir in Piqueras, einem kleinen Dorf im Süden Albaniens. In Piqueras waren wir die einzigen Touristen und somit ein kleines Highlight. Schnell kannten uns alle – der Besitzer der Taverne (der wohl den besten Fisch in ganz Albanien zubereiten und den besten Raki brennen kann) als auch der Verkäufer des kleinen Supermarkts, mit dem wir uns mit Händen und Füßen und viel Lachen verständigten. Mr. Tiri, der uns für ein paar Tage sein schönes Haus mit Blick auf das Meer vermietete, vertraute uns seine zwei Hunde an und ließ uns alles aus seinem Garten ernten, das bereits reif war. In Piqueras erholten sich unsere müden Beine von den letzten Wandertouren und unser Kopf vom Berliner Alltag. Im Süden Albaniens kann man sich jedoch nicht nur an der „Albanischen Karibik“ entspannen, sondern auch eine Ausgrabungsstätte besuchen. Eine Unterkunft in Saranda sollte man jedoch nicht wählen, denn hier steht ein aus der Mode gekommener Hotelkomplex neben dem anderen und einzig „Mallorca-Ballermann-Touristen“ kommen auf ihre Kosten.
Was bleibt nun von unseren zwei Wochen in Albanien? Jede Menge herzliche, offene Menschen, inspirierende Gespräche mit Albanern und Menschen aus aller Welt, atemberaubende Blicke über Täler, glasklares Gebirgswasser und der Duft von Heilkräutern, sengende Hitze und Bienensummen, alte Autos mit deutschen Aufschriften, sehr gutes Essen und rauschendes Meer.
Unser Gastgeber in Theth bat uns nach unserem Urlaub, eine Sache in die Welt hinaus zu tragen – nämlich, wie schön und (er-)lebenswert Albanien ist. Und dass wir uns nie von Vorurteilen abschrecken lassen sollten! Gijon, der selbst 20 Jahre lang in London lebte, kehrte nach Albanien zurück, um den Ruf seines Landes zu verbessern. Und auch ich hoffe, dass ich mit diesem kleinen Bericht meinen Teil dazu beitragen konnte.
Zur Vorbereitung auf die Reise hat mir Lesereise Albanien. Die Möwe und der Freiheitskämpfer (Picus Lesereisen) von Carola Hoffmeister sehr gut gefallen.
Dieser Post ist Teil des Balkan-Themas im Juli 2018.