„Der Kongo. Ein grüner Ozean. Und unter den Bäumen – nichts.“
Sommer 1914: Der 19-jährige Ich-Erzähler Thomas Thomson ist ein „literarischer Neger“, er schreibt Bücher für andere. Nach diversen Beerdigungen trifft Thomson auf den Rechtsanwalt Edward Norton, der möchte, dass Thomson die Geschichte des Häftlings und angeklagten Mörders Marcus Garvey in Buchform bringt. Dies bildet den Rahmen für den Bericht über Garveys Erlebnisse im Kongo, wohin er die beiden Brüder Richard und William Craver begleitet hatte, die dort das schnelle Geld machen wollten.
Selten hat sich meine Meinung über ein Buch während des Lesens so häufig und so extrem geändert wie bei Pandora im Kongo. Den Beginn fand ich zu konstruiert und bisweilen albern, beinahe lächerlich übertrieben.
Die Schilderungen der Kongo-Expedition haben mir anfangs sehr gut gefallen, da ich großes Interesse an Entdeckungsreisen im Allgemeinen und am Kongo im Besonderen habe. Hier vermag es der Autor, den Leser mit ins Herz der Finsternis zu nehmen, ihn die Farben, die Hitze und die Gerüche hautnah zu erleben.
Das Auftreten der Tektoner hat mich eher zwiegespalten bis entgeistert zurückgelassen: Wo ich bei Im Rausch der Stille noch Gefallen an den sonderbaren Wesen gefunden habe und eigene Interpretationsansätze entwickeln konnte, was das Ganze zu bedeuten hat, war mir die detailreiche Beschreibung der Tektoner zu absurd, zu übertrieben und zu unglaubwürdig. Einige Beschreibungen grenzen meiner Meinung nach an Kitsch und sind an Plattheit kaum zu übertreffen; so regnet es beispielsweise Gold, und Tränen werden zu Diamanten.
Am Ende hat der katalanische Autor das Ruder jedoch herumreißen können. Der Leser erkennt: Albert Sánchez Piñol hat ihn glaubhaft zum Narren gehalten. Die Übertreibungen und blumig-kitschigen Ausführungen ergeben plötzlich Sinn. Am Ende möchte man wieder von vorn beginnen und alles mit anderen Augen sehen und erleben.
Mehrmals wollte ich abbrechen und war am Ende froh, dass ich durchgehalten habe. Pandora im Kongo bleibt meiner Meinung nach hinter Im Rausch der Stille zurück und erreicht vor allem nicht dessen Sprachgewalt, ist aber dennoch eine spannende, wenn auch höchst merkwürdige Geschichte.
Albert Sánchez Piñol: Pandora im Kongo. Übersetzung von Charlotte Frei. Fischer, 2009, 480 Seiten; 20 Euro.
Dieser Post ist Teil des Wald-Monatsthemas im Dezember 2018.