„Das Schräge, das ich jeden Tag erlebe, ist das Missverstehen, die Unkenntnis und die Abwertung, die sich um meine Patienten, das Fach Psychiatrie und um mich selbst in meiner Rolle als Psychiater ranken.“ (Seite V)
In vier (meiner Meinung nach sehr unterschiedlichen) Kapiteln erzählt Peter Teuschel von seiner Tätigkeit als Psychiater, aber auch von Begebenheiten aus seinem Leben und von der Welt im Allgemeinen.
Dabei hat mir das erste Kapitel („Psychiatrie, wie sie nicht im Lehrbuch steht“) am besten gefallen. Hier berichtet Teuschel u.a. von Anpassungsstörung, Suizid, Amok, Stigmatisierung, Schizophrenie, Wahn, Psychopharmaka und PTBS. Viel Neues gab es in diesem Kapitel für mich nicht, da ich „vom Fach“ bin, aber es gab durchaus Aspekte, die mir vor der Lektüre nicht bekannt waren. Vor allem für Laien empfand ich dieses Kapitel wertvoll, verständlich zusammengefasst und lehrreich.
Das zweite Kapitel („Mobber, Horror-Gutachter und andere Plagen“) dreht sich (Überraschung!) vor allem um Mobbing, aber auch um Stalking, Arbeitsunfähigkeit und Resilienz. Diesen Abschnitt fand ich insgesamt recht informativ, zumal es sich bei einigen dieser Themen nicht unbedingt um meine Interessenschwerpunkte handelt, so dass ich hier einiges dazugelernt habe.
Die folgenden zwei Abschnitte („Neulich in der Sprechstunde“ und „Jenseits des Tellerrandes“) haben mir ein wenig das Gefühl vermittelt, sie passten nicht wirklich ins Buch. Mir hat sich hier teilweise kein rechter Sinn erschlossen, warum manche Ausführungen Teuschels Platz im Buch gefunden haben, warum er bestimmte Gedanken unbedingt mit anderen teilen wollte. Hier geht es viel um typische bedeutungsschwangere Psychotherapie-Geschichten (die ich nicht mag) und um persönliche Ansichten zu verschiedenen Themen, aber man findet auch Ausführungen zu psychiatrischen Themen wie doppelte Buchführung, Stigmatisierung etc.
Alles in allem fand ich Teuschels Ansichten sehr wertschätzend und seine Schilderungen meist informativ. Er erzählt im Plauderton, aber inhaltlich fundiert, bietet so gute Einblicke in sein Fach, räumt mit Vorurteilen auf.
Seine Ausführungen zu Psychopharmaka fand ich ein wenig einseitig und geschönt (neuere Neuroleptika als „nebenwirkungsarme Medikamente“), ansonsten empfand ich ihn als sehr ethisch, sehr vernünftig und sehr respektvoll.
Peter Teuschel: Neulich in der Sprechstunde. Skandalöses und Merkwürdiges aus der psychiatrischen Praxis. Schattauer, 2020, 267 Seiten; 20 Euro.