„Ich habe mir das so gedacht: Ich formuliere drei unterschiedliche Testamente und drucke sie zur Ansicht aus. Wenn du dir eines davon ausgesucht hast, werde ich es mit meinem guten alten Füller abschreiben, mit aktuellem Datum versehen und unterzeichnen.“ (Seite 35)
Karla bekommt Post von ihrem früheren Kollegen Wolfram Kempner, der sie zu einem Gabelfrühstück in seine Weinheimer Villa einlädt.
Wolfram ist verwitwet und kinderlos, und er macht Karla ein recht sonderbares Angebot: Er schreibt drei Testamente zu ihren Gunsten, und sie kann auswählen, wie sehr sie sich um ihn und seine Angelegenheiten kümmern möchte und wie viel sie im Gegenzug von ihm erbt.
Als Karla ihre Freundin und frühere Kollegin in der Bibliothek – Judith – in Wolframs Plan einweiht, wird das ganze Unterfangen noch komplizierter als ohnehin schon.
Ich liebe die Weinheimer Altstadt, und vor vielen, vielen Jahren war ich mal bei einer Verlobungsfeier in einer Weinheimer Villa, so dass ich selbst schon einen kleinen Traum von einer Weinheimer Villa geträumt habe.
Das Setting des Romans hat mich dadurch sofort angesprochen, und zudem liest sich das Buch von Anfang bis Ende unterhaltsam.
Hab und Gier ist oft bitterböse, so wie man es von Ingrid Nolls Romanen kennt, und das Weinheimer Lokalkolorit hat mich an den Marktplatz versetzt, mich an Herbstabende mit Flammkuchen erinnert, an Frühlingsspaziergänge im Hermannshof denken lassen (der im Buch übrigens keine Rolle spielt) und mich in Erinnerungen an sommerliches Eisessen in Weinheim schwelgen lassen.
Für Weinheim-Kenner gibt es hier viel Nostalgie, Weggezogene erleben sicherlich etwas Heimweh, und Weinheim-Neulinge bekommen Lust auf eine kleine Reise in das hübsche Städtchen.
Ingrid Noll: Hab und Gier. Diogenes, 2015, 256 Seiten; 13 Euro.