„Bücher sind komplexe Gebilde, die Zeilen, die uns tief erschüttert haben, markieren den Höhepunkt eines inneren Erdbebens, das ein Text von den ersten Seiten an in uns Lesern ausgelöst hat: also entweder macht man die Verwerfung ausfindig, und wird zu dieser Verwerfung, oder die Worte, von denen wir meinten, sie wären eigens für uns geschrieben, sind nicht mehr auffindbar und klingen, falls man sie doch wiederfindet, banal und geradezu abgedroschen.“ (Seite 15)
Frantumaglia enthält Interviews mit, Briefe an und von sowie Aufsätze von Elena Ferrante aus den Jahren 1991 bis 2016. Darin geht es u.a. um Ferrantes Bücher, um Frauen in ihren Büchern und im Allgemeinen, um die Schriftstellerin selbst, um Literatur und – natürlich – immer wieder um die Frage, warum sich die Autorin entschlossen hat, ihre Identität geheim zu halten und als Autorin nicht in die Öffentlichkeit zu treten.
Ich habe fast alle Bücher von Ferrante gelesen, war und bin vor allem von ihrer Neapolitanischen Saga hellauf begeistert. Dementsprechend hat mir der dritte Teil von Frantumaglia am besten gefallen, denn hier geht es viel um die Tetralogie.
Da ich Lästige Liebe und Tage des Verlassenwerdens noch nicht gelesen habe, habe ich die Abschnitte über diese beiden Bücher weniger konzentriert gelesen, da ich Sorge hatte, sonst zu viel vom Inhalt der Bücher zu erfahren. Beim Lesen ist mir aber klar geworden, dass ich Lästige Liebe und Tage des Verlassenwerdens unbedingt und bald lesen muss, und dass ich dann nochmals in Frantumaglia blättern und verschiedene Passagen nochmals genauer lesen werde.
Ferrante macht in Frantumaglia deutlich, wie gut sie ihre Figuren kennt und wie hervorragend sie diese gezeichnet und charakterisiert hat, wie wichtig ihr diese Figuren sind, welche Ansprüche sie an sich, an ihre Figuren und an ihre Bücher hat. Dadurch bietet sie nicht nur tiefe Einblicke in ihr Werk, sondern auch in ihre eigenen Gedanken und Gefühle, ihre Persönlichkeit und ihr Verhältnis zu Literatur und zu Neapel. Ferrante zeigt durch Frantumaglia auch, dass es tatsächlich keine Informationen darüber braucht, wer sie ist, wie sie heißt, wo sie lebt etc., sondern dass man sich einer Person auch ohne biografischen Details intensiv annähern, sie verstehen und ihre Bücher faszinierend finden kann.
Im Buch wiederholen sich Themen durch die verschiedenen Interviewpartner immer wieder. Allerdings wird in den Fragen der Interviewer und bei den Antworten Ferrantes oft ein anderer Fokus gesetzt, so dass das Gelesene nie langatmig ist, sondern verschiedene Abstufungen und unterschiedliche Perspektiven einer ähnlichen Thematik zeigt.
Elena Ferrante: Frantumaglia. Mein geschriebenes Leben. Aus dem Italienischen von Julika Brandestini und Petra Kaiser. Suhrkamp Verlag, 2019, 499 Seiten; 24 Euro.