Fest von Mireille Zindel

„Man will immer zurückgeliebt werden.“ (Seite 18)

Noëlle liebt David, und sie ist überzeugt davon, dass er sie auch liebt. Seit fünf Jahren wartet sie auf ihn, seit einem Jahr besteht keinerlei Kontakt. Doch Noëlle weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich David von seiner Frau trennt und sich zu Noëlle bekennt.

Noëlle ist sich sicher, dass sie beide eine gemeinsame Zukunft haben. Regelmäßig konsultiert sie Muira, eine Hexe, die ihr fortwährend Hoffnung macht, solange Noëlle Rituale durchführt, Kerzen entzündet, an ihrer Liebe festhält und geduldig bleibt.

Noëlles Ehemann reicht die Scheidung ein, während sich Noëlle in einer Privatklinik befindet, Antipsychotika einnimmt und heimlich absetzt, Gespräche mit ihrem Psychiater Sacha führt, weiterhin Nachrichten und Videos an David schickt, seine Abwesenheit und frühere Nachrichten an sie oder an seine Socialmedia-Freunde als eindeutige Beweise seiner Liebe zu ihr interpretiert.

Fest war meine erste Begegnung mit Mireille Zindel, und ich habe zum Roman gegriffen, weil ich mich schon sehr lange mit Psychosen beschäftige, ich im Bereich der Psychosenpsychotherapie arbeite und ich Liebeswahn als ein sehr spannendes Phänomen empfinde.

Der Roman wirkt vor allem anfangs oft verworren, als Leser versteht man nicht immer, was gerade passiert, wie Dinge zusammenhängen. Der Text ist bisweilen unverständlich, sprunghaft, und Assoziationen sind nicht immer nachvollziehbar.

Was für den Leser keine einfache Lektüre ist, ist meiner Meinung nach ein extrem gelungener und authentischer Einblick in wahnhaftes Erleben. Zindel hat es hier meiner Meinung nach perfekt herausgearbeitet, was im Wahn passiert: Dinge stehen für Noëlle ganz klar in Beziehung zu ihr, zu David, zu seiner Liebe zu ihr, geben ihr Hoffnung, sind vollkommen stimmig für sie, während der Leser diese Verbindungen nicht bzw. erst durch Noëlle wahrnimmt.

Dieses Eintauchen in Noëlles Gedanken- und Gefühlswelt, das Einnehmen ihrer Sicht auf David und auf die Welt ist fesselnd, vor allem aber glaubwürdig.

Noëlles Beziehungserleben wird erlebbar und spürbar, und der Leser kann dadurch nicht nur verstehen, warum Noëlle immer weiter hofft und Zeichen sieht, die ihr eine Zukunft mit David ankündigen, sondern versteht auch (zu einem Stück weit), was es bedeutet, wahnhaft zu sein.

Mireille Zindel: Fest. Lector Books, 2024, 272; 25 Euro.

Dazu hab ich auch was zu sagen!