„Weil es keine andere Wahl gibt.“
Patrick Kingsley erzählt in Die neue Odysee von der aktuellen Flüchtlingskrise: vom Arabischen Frühling, vom Beginn des Konflikts und vom Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien, von Armut und Elend in Afrika, von Perspektivlosigkeit und Verzweiflung, von Menschenschmugglern und Korruption, von freiwilligen Helfern und von Zukunftsszenarien.
Die neue Odyssee hat mir sehr gut gefallen, und ich fand das Konzept, die Geschichte der Krise anhand von Einzelschicksalen menschlicher und greifbarer zu machen, gelungen und wichtig, um die gegenwärtige politische Lage und Entwicklung besser verstehen und einordnen zu können.
Kingsley erklärt dem Leser, was Menschen nach Europa fliehen lässt, was sie auf ihrer Flucht erleben, wieso sie ihr Leben riskieren und was sie auf dem reichsten Kontinent der Erde erwarten und erwartet. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Geschichte der Flüchtlinge selbst, sondern stellt auch Schleuser und ihre Rechtfertigungen und Beweggründe vor und erwähnt freiwillige Helfer, die selbstlos handeln und lediglich Gutes tun möchten, ohne sich am Elend anderer zu bereichern.
Kingsley erzählt lebendig und detailliert, berichtet von persönlichen Erlebnissen und individuellen Erfahrungen. So gibt er den Millionen Flüchtlingen eine Stimme, ein Gesicht und eine Persönlichkeit, die das Ganze weniger abstrakt macht und so Verständnis und Toleranz fördern kann. Vor allem die Geschichte von Haschem, die sich durch das ganze Buch zieht und die es dem Leser ermöglicht, vom heimischen Sofa aus eine Person von Syrien bis nach Europa zu begleiten und ihre Erfolge und Misserfolge direkt zu verfolgen, ist emotional bewegend und hat mich sehr berührt.
Patrick Kingsley: Die neue Odyssee. Aus dem Englischen übersetzt von Hans Freundl und Werner Roller. C.H. Beck, 2016, 332 Seiten; 21,95 Euro.
Dieser Post ist Teil des Themas „Flucht und Migration“ im April 2017.