Die Geschichte eines neuen Namens von Elena Ferrante

„kein Mensch außer mir schien bemerkt zu haben, dass die soeben geschlossene Ehe […] für Lila bereits aus und vorbei war“

Am Ende des ersten Bandes der Neapolitanischen Saga hat die 16-jährige Lila Cerullo Stefano Carracci, den Betreiber der Salumeria, geheiratet, aber bereits bei der Hochzeitsfeier erfährt Lila, das Stefano sie hintergangen und verraten hat. Die Ehe wird für Lila und Stefano zu einem Desaster voller Gewalt und mit unerfüllten Wünschen und Sehnsüchten auf beiden Seiten. Lila, die vor der Hochzeit sehr verliebt in Stefano und glücklich mit ihm war, kennt „diesen Menschen nicht, […] weiß nicht, wer er ist“.

Währenddessen bricht für Lilas Freundin Elena Greco, die die Geschichte erzählt, eine schwierige Zeit an: Sie vermisst ihre Freundin Lila, die sie durch die Ehe mit Stefano verloren glaubt, und ist unglücklich verliebt in Nino Sarratore, wodurch sie die Schule vernachlässigt.

Doch es kommt vorerst nicht zum Bruch zwischen den beiden Freundinnen: Lila zieht ihre Freundin Elena ins Vertrauen, erzählt ihr von der körperlichen Gewalt, die sie durch Stefano erfährt, ermuntert sie, wieder zu lernen und ihren Schulabschluss zu machen, und bittet Elena, in ihrer Nähe zu bleiben: „Auch wenn du besser bist als ich, auch wenn du mehr weißt als ich, verlass mich nicht.“.

Doch nach einem Besuch bei Professoressa Galiani, die Elena unterrichtet und sie zu sich eingeladen hat, bei dem Elena von Lila begleitet wird, kommt es zum befürchteten Bruch zwischen den beiden Freundinnen und zu einer ersten langen Trennung.

Ich habe den ersten Teil der Neapolitanischen Saga sowohl gelesen als auch als Hörbuch gehört und kann sagen, dass bei mir tatsächlich das „Ferrante-Fieber“ ausgebrochen ist und dass der zweite Teil der Saga dieses Fieber eher noch verstärkt hat.

Die Geschichte eines neuen Namens ist von der ersten Seite an spannend, doch spätestens auf Seite 37 wusste ich, dass der Roman ein Buch ist, das ich ruhelos und bis spät in die Nacht hinein lesen werde und kaum zur Seite legen kann. Und genauso war es letztendlich auch: Die über 600 Seiten waren im Nu gelesen, und ich fand den Roman durchweg und ohne Einschränkung fesselnd, bewegend und mitreißend.

Elena Ferrantes Sprache ist ebenso schlicht wie anspruchsvoll, und trotz der oftmals langen Sätze und der zahlreichen Protagonisten lässt sich das Buch flüssig lesen. Dabei erzählt Ferrante ihre Geschichte detailreich und lebendig, sie berichtet minuziös und mit einer hervorragenden Beobachtungsgabe von den Geschehnissen in der Stadone, im Rione, in Neapel und in weiteren Orten Italiens.

Ferrantes Erzählstil ermöglicht es, dass man als Leser ganz in die Geschichte eintauchen kann, mit vor Ort ist und einem die Protagonisten ans Herz wachsen – oder dass man von einigen Figuren abgestoßen wird. Auch Neapel selbst fungiert als Protagonist, der eine wichtige Rolle oder gar die Hauptrolle spielt, um den sich alles dreht, der stets der gemeinsame Nenner aller Geschehnisse und Erlebnisse der Figuren ist.

Durch den Detailreichtum der Schilderungen entsteht nicht nur ein komplexes Bild der Freundschaft zwischen Lila und Elena, sondern auch des Lebens an sich. Ferrante erzählt von Liebe und Vertrauen, Rivalität und Neid, Erniedrigung und Gewalt, Verlust und Enttäuschung, Sehnsucht und Hoffnung.

Neben der Geschichte um die Freundschaft der beiden Frauen entsteht zudem ein authentisches Bild Italiens im Allgemeinen und Neapels im Besonderen sowie des Einflusses und der Macht der Camorra, so dass mich der Roman auf allen Ebenen überzeugen konnte.

Die Geschichte eines neuen Namens ist ein phantastischer Roman, der das Leben in Neapel im Detail beschreibt, die Stimmung perfekt einfängt und die beiden Freundinnen über die gesamte Jugend und das junge Erwachsenenalter hinweg begleitet. Ich warte gespannt auf den dritten Band der Saga, der im August 2017 erscheint.

http://www.elenaferrante.de

Elena Ferrante: Die Geschichte eines neuen Namens. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Suhrkamp Verlag, 2017,623 Seiten; 25 Euro.

Meine Hörbuchrezension zum Roman Die Geschichte eines neuen Namens findet sich hier.

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