„Man verzichtet doch nicht aufs Pervitin, weil es vielleicht etwas gesundheitsschädlich sein könnte. Wenn man ohnehin dazu bestimmt ist, in Kürze zu fallen!“
Die Verbreitung von Drogen im Dritten Reich war bisher ein eher unbekanntes Thema, und eine umfassende Darstellung, wie Rauschmittel den Alltag im Dritten Reich und den Verlauf des Zweiten Weltkriegs prägten, fehlte bislang.
Für sein Buch hat Norman Ohler unzählige, oftmals unveröffentlichte Quellen recherchiert. In Der totale Rausch erzählt er von der Volksdroge Pervitin (Methamphetamin, heute bekannt als Crystal Meth), die 1938 in den Temmler-Werken entwickelt wurde, vom extensiven Gebrauch der Droge in der Allgemeinbevölkerung, vom Einsatz von Pervitin im Zweiten Weltkrieg, von Blitzkrieg und Kriegsverlauf, von Adolf Hitler und seinem Leibarzt Theodor Morell, von Kriegsende und Hitlers Suizid.
Ich habe mich schon sehr viel mit dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, aber das Thema Drogen im Dritten Reich war mir völlig neu. Dementsprechend spannend fand ich die Lektüre. Ich habe beim Lesen oft gestaunt und viel gelernt. Sehr gut fand ich die vielen Anmerkungen und Quellenverweise, so dass man auch bei diesem ungewöhnlichen Thema immer das Gefühl hat, man kann dem Autor voll und ganz vertrauen, dass er ordentlich recherchiert hat.
Ohler ist ein guter Erzähler und weiß den Leser zu fesseln, und zeitweilig liest sich Der totale Rausch so spannend wie ein Krimi. Dabei ist das Buch sprachlich anspruchsvoll, liest sich aber dennoch flüssig. Als etwas störend empfand ich den oftmals reißerischen Stil und die bisweilen zu hochgestochene Sprache, die dann recht aufgesetzt klang: „Die Gilde der Hitler-Forscher, so obskurantistisch mancher unter ihnen abdriften mag, eint das Bemühen, das Enigma des Diktators, jenes wohl schlimmsten Verbrechers und Psychopathen aller Zeiten, das personifizierte Böse im Menschen, zu entschlüsseln“. Solche Sätze sind aber eine Ausnahme, der Großteil des Buches liest sich unterhaltsam, einfach und schnell.
Gefallen hat mir auch, dass Norman Ohler sehr detaillierte Einblicke ins Thema bietet und viele Zeitzeugen zu Wort kommen lässt.
Das zweite Drittel fand ich etwas schwächer als den Rest des Buches, aber insgesamt lohnt sich die Lektüre meiner Meinung nach sehr, wenn man sich mit dieser eher unbekannten Facette des Dritten Reiches beschäftigen will.
Norman Ohler: Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich. Kiepenheuer und Witsch, 2017, 368 Seiten; 12 Euro.
Dieser Post ist Teil des Sucht-Monatsthemas im März 2021.