„Loblied auf die heutzutage vielgeschmähte Psychoanalyse“ (Seite 7)
Hans Hopf erzählt in Abgründe von Fällen aus seiner psychotherapeutischen Tätigkeit, thematisiert z.B. Partnerschaft, Tod, Suizidalität, Ablehnung durch die Eltern, Einsamkeit, Ängste, Sexualität, Religiosität, Vernachlässigung und Gewalt.
Was den Autor und mich verbindet, ist die Psychotherapie. Er ist allerdings Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Psychoanalytiker, ich absolviere eine Ausbildung zur Erwachsenen-Psychotherapeutin in Verhaltenstherapie. So richtig viel verbindet uns also nicht, auch wenn der Unterschied für Laien vielleicht eher marginal wirkt.
Ich sehe die Psychoanalyse sehr kritisch, und auch Hopfs Herangehensweise ist nicht wirklich konform mit meiner. Das ist unterm Strich aber nicht schlimm und kann sogar spannend sein, denn generell finde ich es durchaus interessant, wie Psychotherapeuten anderer Schulen arbeiten, denken und schlussfolgern.
Den Einstieg ins Buch fand ich unterhaltsam und packend geschrieben, im Verlauf empfand ich einige Schilderungen bisweilen als etwas zu weitschweifig und langatmig, da hätte ich mir mehr konkrete Bezüge zu therapeutischen Ansätzen und zum genauen Vorgehen gewünscht.
In sprachlicher Hinsicht hat mir Abgründe gut gefallen, und ich habe hier (trotz der oft großen Unterschiede zwischen Psychoanalyse und Verhaltenstherapie) ein paar spannende Impulse für meine eigene Arbeit erhalten, aber die Psychoanalyse und ich werden trotzdem keine Freunde.
Nicht gefallen hat mir bei der Lektüre, wie stark Hopf pauschalisiert und spekuliert, wie sehr er immer wieder auf kindliche Sexualität fokussiert – dies alles sind aber eher Kritikpunkte an der Psychoanalyse an sich.
Hans Hopf: Abgründe. Spektakuläre Fälle aus dem Leben eines Psychotherapeuten. Klett-Cotta, 2020, 187 Seiten; 17 Euro.