„Die Welt stand vor der größten Herausforderung in der Geschichte der Menschheit.“
England im Jahre 1852: Der Biologe William ist als Akademiker gescheitert und kann seine acht Kinder kaum noch ernähren. Er zieht sich immer weiter zurück und verlässt für längere Zeit das Bett nicht mehr, doch dann bekommt er neuen Schwung, weil er einen neuartigen Bienenkorb bauen möchte.
Die USA im Jahre 2007: George ist Imker und sehr um seine Bienen besorgt, seit es im Norden des Landes zu einem plötzlichen Bienensterben kam. Noch glaubt er, dass er im Süden sicher ist, doch dann verschwinden und sterben auch seine Bienen.
China im Jahre 2098: Jeden Tag muss Tao 12 Stunden lang Bäume von Hand bestäuben, denn es gibt schon lange keine Bienen mehr. Die Menschen haben stattdessen die Arbeit der Bienen übernommen, was dazu führte, dass beinahe nonstop gearbeitet werden muss, Obst eine Rarität geworden und Nahrung im Allgemeinen knapp bemessen ist.
Mit diesen drei Erzählsträngen erzählt Maja Lunde ihre komplexe Geschichte der Imkerei und des Bienensterbens. Dabei verwebt sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf ebenso geschickte wie beängstigende Weise miteinander, und die dadurch entstehende Verschmelzung von Realität und Vision lässt die im Buch als so hoffnungslos beschriebene Zukunft wie eine beschlossene Sache, wie eine Gewissheit erscheinen, der wir nicht entrinnen können, auf die wir unaufhaltsam zurasen.
Lundes Zukunftsvision vom Tod der Bienen und einer Welt ohne sie ist düster und unheilvoll, doch durch die Bezüge auf die reale Gegenwart, in der man bereits ein umfassendes Bienensterben beobachten kann, ist sie mehr als eine erdachte Geschichte, sondern vielmehr eine sehr realistische Vorhersage, was uns und die Bienen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erwartet. Beim Hören des Hörbuchs merkt man dadurch immer wieder, dass wir heute nicht allzu weit von Lundes schrecklicher Zukunftsvision entfernt sind.
Die Geschichte wurde eindringlich erzählt, ist (trotz des düsteren Inhalts) unterhaltsam, die Protagonisten wurden detailreich und lebendig charakterisiert. Neben der packenden Geschichte und William, George und Tao kann man beim Hören sehr viel über die Geschichte der Imkerei, über Bienenvölker und über Umweltschutz lernen.
Alle drei Erzählstränge sind spannend und spiegeln eine besondere Epoche in Sachen Bienen und Imkerei wider, wobei mir die Zukunftsvision um Tao und ihre Familie am besten gefallen hat. Die drei Perspektiven wurden von Bibiana Beglau (Tao), Thomas M. Meinhardt (George) und Markus Fennert (William) hervorragend gelesen.
Mein einziger (kleiner) Kritikpunkt ist, dass die drei Geschichten bisweilen ein wenig vorhersehbar waren, aber das tut dem Buch letztendlich keinen Abbruch, da die Geschichte unterm Strich nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch Bewusstsein für ein weltweites Problem schafft, viele Menschen (hoffentlich) zum Nachdenken anregt und eventuell eine Verhaltensänderung bewirkt.
Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen. Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein. Gekürzte Lesung von Bibiana Beglau, Thomas M. Meinhardt und Markus Fennert. der Hörverlag, 2017; 19,99 Euro.
Dieser Post gehört zum Tiere-Thema im Mai 2017.