„[…] persönliche Eigenarten, die wir im Laufe unserer Biografie lernen und die unser Denken, Fühlen und Handeln stark prägen. Gerade sie bestimmen, wovor wir uns fürchten, wann wir kränkbar sind, was uns aggressiv macht und wo wir die Realität falsch interpretieren. Solche Persönlichkeitsstile sind komplexe psychische Strukturen, die uns kaum bewusst sind und die wir meist selbst nicht verstehen: Wir können oft gar nicht genau sagen, warum wir so handeln, wie wir handeln.“ (Seite 9)
Bevor ich vor ein paar Monaten meine klinische Tätigkeit als Psychologin begonnen habe, war ich mir sicher, dass die psychotherapeutische Arbeit mit Menschen mit Persönlichkeitsstörungen meine größte Herausforderung wird. Mittlerweile bin ich fast so etwas wie ein Persönlichkeitsstörungsjunkie geworden, denn mir macht die Arbeit mit Menschen mit Persönlichkeitsstörungen (und überraschenderweise vor allem mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung) enorm viel Spaß. Verantwortlich für diese positive Wende ist sicher auch meine Begegnung mit Rainer Sachses Modell der doppelten Handlungsregulation und diverse Bücher, die ich seitdem von ihm gelesen habe. Von Sachse lernt man sehr eindrücklich und verständlich, wie man bestimmte Menschen „knackt“, d.h. wie man an sie herankommt, wie man eine stabile Beziehung aufbaut, wie man psychotherapeutisch vorgeht, um den Betroffenen ihre dysfunktionalen Muster deutlich zu machen und dann schrittweise zu verändern.
Persönlichkeitsstile richtet sich (im Gegensatz zu anderen Büchern, die ich von Sachse gelesen habe) eher an Laien als an Professionelle, und ich habe das Buch vor allem gelesen, um Betroffenen oder Angehörigen ein gut verständliches Buch zum Thema empfehlen zu können.
Persönlichkeitsstile ist sehr verständlich geschrieben und sehr gut strukturiert. Das Buch ist sprachlich bisweilen etwas salopp, und Sachse erzählt oft im Plauderton, was ich jedoch nicht als störend, sondern als amüsant und unterhaltsam empfunden habe. Informativ ist das Buch wirklich auf jeder einzelnen Seite, und es vermittelt nicht nur Einblicke in die Gefühle, Gedanken und das Verhalten bei bestimmten Persönlichkeitsstilen, sondern gibt auch konkrete Tipps für den Umgang mit Betroffenen (bzw. mit sich selbst, wenn man selbst betroffen ist).
Das Buch macht es auch für Laien möglich, Zusammenhänge zu verstehen, Motive und Schemata zu erkennen, Manipulationen aufzudecken etc. Dabei stellt Sachse neun Persönlichkeitsstile vor (narzisstisch, histrionisch, dependent, selbstunsicher, passiv-aggressiv, schizoid, zwanghaft, paranoid, emotional-instabil/Borderline) und bietet für jeden einzelnen Stil umfassende Informationen (was den Stil charakterisiert, welche biografischen Besonderheiten oft vorliegen, Beziehungsmotive, Selbstschemata, Beziehungsschemata, Normschemata, Regelschemata, Manipulation, Ressourcen und Gewinne, Kosten, wie man selbst seine Kosten reduziert, wie man mit Personen mit dem jeweiligen Stil umgeht).
Ich empfehle das Buch für Professionelle, die sich erstmals mit Persönlichkeitsstörungen bzw. Persönlichkeitsstilen befassen und/oder für Patienten/Klienten verständliche Erklärungen parat haben möchten. Vor allem lege ich jedoch Betroffenen und Angehörigen das Buch ans Herz, um bessere Einblicke in konfliktbehaftete Situationen zu erhalten. Und selbstverständlich rate ich auch allen zur Lektüre, die sich generell für verschiedene Persönlichkeitsstile interessieren und wissen wollen, wie man mit bestimmten Stilen besser zurechtkommen kann.
Rainer Sachse: Persönlichkeitsstile. Wie man sich selbst und anderen auf die Schliche kommt. Junfermann Verlag, 2019, 199 Seiten; 24 Euro.
Ein Gedanke zu „Persönlichkeitsstile. Wie man sich selbst und anderen auf die Schliche kommt von Rainer Sachse“