„Du siehst aus der Weite einen Menschen näherkommen […] und wenn er da ist, siehst du, es ist doch nur ein Zigeuner.“
Karl-Markus Gauß hat eine Reportage über slowakische Slums geschrieben, allen voran die Vorhölle Svinia, wo 700 Roma leben, die sogar von anderen Roma ausgegrenzt und verachtet werden, da sie als Hundeesser gelten.
Neben der Beschreibung der Zustände in den slowakischen Slums erzählt Gauß von der Geschichte der Roma von 1945 bis heute, von der Eingliederung in die tschechoslowakische Gesellschaft zu Zeiten des Sozialismus über reihenweise Sterilisierungen in den letzten Jahren vor Beendigung des Kalten Krieges bis zum EU-Beitritt der Slowakei und der Vertreibung der Roma aus ihren Häusern und ihrem bisherigen Leben.
Mir hat Die Hundeesser von Svinia sehr gut gefallen, obgleich ich zugegebenermaßen sehr bestürzt war ob der geschilderten Zustände. Begriffe wie Ghetto, Apartheid, Slums und bitterste Armut assoziiert man für gewöhnlich nicht mit dem Europa des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Der Autor berichtet aber genau von diesen Missständen, die man in einem EU-Land nicht vermutet und die das Weltbild des Lesers demnach ein wenig gerade rücken.
Karl-Markus Gauß: Die Hundeesser von Svinia. dtv, 2006; vergriffen (antiquarisch erhältlich).
Dieser Post ist Teil des Nomadenleben-Monatsthemas im Februar 2021.