„Alle alten Frauen sehen wie Anne Frank aus. Das ist eben ihr Schicksal.“
Salomon Kugel lebt mit seiner Frau Bree, seinem dreijährigen Sohn Jonah und seiner kranken Mutter im unspektakulären 2400 Seelen-Städtchen Stockton, und er hat Angst: vor dem Tod, vor dem Sterben, vor den Geräuschen auf dem Dachboden, davor, nicht die richtigen letzten Worte zu finden, davor, Opfer der aktuellen Farmhaus-Brandserie zu werden.
Kugel ist Jude und sein Leben ist bestimmt von den Holocaust-Erzählungen seiner Mutter, die unablässig und bei jeder sich bietenden Gelegenheit von ihrem Überleben in den Lagern berichtet.
Eines Tages findet Kugel eine alte Frau auf seinem Dachboden, die da zu leben scheint. Die Alte behauptet, sie sei Anne Frank. Kugel fängt an zu grübeln: Als Jude kann er Anne Frank unmöglich aus dem Haus werfen (Man stelle sich die Schlagzeilen vor!), doch eigentlich kann er die alte Frau auch nicht in seinem Haus und seinem Leben dulden. Nach und nach gerät Kugels Leben immer mehr aus den gewohnten Bahnen…
Hoffnung. Eine Tragödie lässt sich sehr schnell und flüssig lesen, ist makaber, bizarr und bitterböse. Ich habe des Öfteren schallend gelacht, vor allem wenn Shalom Auslander die Mutter Kugels zu Wort kommen lässt.
Sehr gut gefallen hat mir, dass Auslander politische Hintergründe und das Judentum kritisch betrachtet und mit viel schwarzem Humor Traditionen und seine Geschichte hinterfragt. Oft wird es wirklich richtig fies, nie jedoch respektlos oder antisemitisch (Auslander entstammt selbst einer jüdisch-orthodoxen Familie).
Schön ist auch, dass sich hinter der bitterbösen Geschichte kein simpler und lediglich unterhaltsamer Roman verbirgt, sondern Auslander auch Themen wie Aufarbeitung der Vergangenheit, Tod und Gewissen/Moral anspricht und gut ausarbeitet.
Auslander ist ein Autor, den ich mir merken werde. Ich kann Hoffnung. Eine Tragödie sehr empfehlen.
Shalom Auslander: Hoffnung. Eine Tragödie. Berlin Verlag, 2014, 336 Seiten; 9,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Judentum-Monatsthemas im November 2018.