„Wir wissen heute weit mehr über Fische als noch vor hundert Jahren, doch was wir wissen, ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was sie wissen.“ (Seite 285)
Der promovierte Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe wollte mit Was Fische wissen den Fischen eine Stimme geben und ein Buch in ihren Namen schreiben.
Er erzählt von Knochenfischen und Knorpelfischen, Silur und Devon, Tiefsee und Mesopelagial, Ektothermie und Endothermie, Schollen und Korallen, Blitzlichtfischen und Anglerfischen, Ebbinghaus-Täuschung und Kanizsa-Dreieck, artübergreifender Kommunikation und Werkzeuggebrauch, Kois und Johann Sebastian Bach, Schreckstoffen und Pheromonen, Navigation und Erdmagnetfeld, Elektrorezeption und Streicheln, Genuss und Schmerz, Bewusstsein und Neocortex, Mitgefühl und Psychoneuroendokrinologie, Belohnungssystem und Spielen, Neugierde und Beobachtungslernen, Sozialleben und Fischschwärmen, Wiedererkennen von Artgenossen und Menschen, Bindung und Putzerfischen, simultanen und sequenziellen Hermaphroditen, Balz und Maulbrüten sowie vom Verhältnis zwischen Fisch und Mensch (Fischfang und Aquakultur, Beifang und Finning, Sportfischerei, Schutz der Gewässer und der Fische).
Ich fand es schon immer sonderbar, dass es Vegetarier gibt, die Fisch essen – als ob Fische keine Tiere wären. Ich muss durchaus zugeben, dass es mir leichter fällt, Empathie mit einem Kulleraugentier zu empfinden, aber nichtsdestotrotz habe ich, seit ich mich für ein vegetarisches Leben entschieden habe, auch auf Fische und Meeresfrüchte verzichtet. Spätestens nach der Lektüre von Balcombes wundervollem Buch hätte ich es aber sicher nicht mehr geschafft, ein Stück Lachs zu essen oder genüsslich eine Dose Thunfisch zu öffnen.
Balcombe erzählt auf leichtfüßige und oft amüsante Weise von verschiedenen Forschungsergebnissen rund um Fische und gibt zudem selbst erlebte oder ihm zugetragene Anekdoten zum Besten. Damit gewährt er tiefe Einblicke ins Leben und die Fähigkeiten der Wasserbewohner und präsentiert so eine vollkommen missverstandene Wirbeltierklasse, die keineswegs taub, stumm, blind, dumm und emotionslos ist.
Balcombes Schilderungen sind durchweg faszinierend und durch seinen lockeren Schreibstil nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam. Er erzählt oft mit einem Augenzwinkern und hat mich dadurch bisweilen zum Schmunzeln und sehr oft zum Staunen gebracht.
Auf den letzten Seiten ändert sich Balcombes Tonfall: Hier geht er auf das Verhältnis zwischen Mensch und Fisch ein, mahnt ob unseres Umgangs mit den Fischen. Dieser Teil des Buches ist zwar ziemlich trostlos und hat mich dadurch sehr berührt, aber der Autor erwähnt auch bereits erzielte Erfolge im Bereich der Meere und der Fische, die Hoffnung machen und zeigen, wie wichtig es ist, ein Bewusstsein und Respekt für unseren Planeten und all seine Bewohner zu entwickeln.
Balcombe ist mit Was Fische wissen ist ein wundervolles, wichtiges und spannendes Buch gelungen, das mich persönlich sehr bereichert hat und dem ich viele Leser wünsche.
Jonathan Balcombe: Was Fische wissen. Wie sie lieben, spielen, planen: unsere Verwandten unter Wasser. Aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher. mareverlag, 2018, 336 Seiten; 28 Euro.
Dieser Post ist Teil des Meer-Themas im Mai 2018.