„Ich habe die Kontrolle über mich verloren. […] Ich folge jedem Impuls, es gibt keine Hemmschwelle.“ (CD 3, Track 3)
Der Wirtschaftsanwalt Urs Blank ist verheiratet, beruflich erfolgreich und jemand, der Kontrolle über sein Leben hat.
Als er die deutlich jüngere Lucille trifft, wandelt sich sein Leben, er wird spontaner und betritt immer wieder neues Terrain.
Nach einem Psilocybin-Trip ist schließlich nichts mehr so, wie es vorher war. Blanks Leben und seine Moral geraten endgültig aus den Fugen, seine Persönlichkeit ändert sich, und dann entscheidet er sich für ein einsames Leben im Wald, wofür er seinen Suizid vortäuscht.
Ich habe Die dunkle Seite des Mondes vor knapp 20 Jahren gelesen und nun das Hörbuch gehört. Mir hat das Hörbuch auch mit dem zeitlichen Abstand gut gefallen, was nicht immer so ist, wenn man viele Jahre später das gleiche Buch nochmals liest oder hört. Hier habe ich aber das Gefühl, dass mich das Buch nach all der Zeit sogar mehr als in meinen 20ern angesprochen hat.
Ich habe keine persönlichen Erfahrung mit Halluzinogenen, doch Martin Suters Schilderungen treffen meiner Meinung nach sehr genau ins Schwarze und decken sich mit meinen Vorstellungen eines Psilocybin-Trips und den Veränderungen, die damit einhergehen können. Ich empfand diese Einblicke sowohl spannend und bereichernd als auch verstörend und zum Teil abstoßend, und so habe ich Suters Ausführungen und der gelungenen Lesung von Gert Heidenreich mit viel Neugier und Faszination gelauscht.
Dabei empfand ich Blank als extrem unangenehmen Zeitgenossen – vor, während und nach dem Psilocybin-Trip. Auch die anderen Figuren fand ich eher unsympathisch, jedoch allesamt so lebendig und so überzeugend charakterisiert, dass ich gerne verfolgt habe, wie sie sich verhalten, was sie umtreibt, was sie denken und fühlen.
Martin Suter: Die dunkle Seite des Mondes. Ungekürzte Lesung von Gert Heidenreich. Diogenes, 2013; 25 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Schweiz-Monatsthemas im Juni 2022.