„Sitaram bremst nicht gern. Bremsbelege sind teuer. Er bevorzugt Hupe und Gaspedal.“
Michael Obert ist in Indien unterwegs und weiß: „Wer das Wesen einer Nation ergründen wolle, […] brauche sich nur anzusehen, wie sich die Leute im Straßenverkehr verhielten“.
Und so macht er sich auf die Suche nach einem LKW-Fahrer, der ihn mit auf die Reise vom Osten in den Westen des Subkontinents nimmt. Er findet diesen in Sitaram Roy, mit dem er die 2000 Kilometer zwischen Kalkutta und Mumbai in einem Lastwagen und bei durchschnittlich 10 km/h bezwingt.
Unterwegs beginnt er, Indien, seine Bewohner und deren Beweggründe besser zu verstehen, und er erzählt dem Leser nicht nur von seiner Reise, den Stationen seiner Subkontinentdurchquerung, den unterwegs getroffenen Menschen, sondern vermittelt zudem Informationen über Unfalltote, Kastenwesen, Religion, Armut, Prostitution und Gewalt. All dies gelingt Obert auf weniger als 70 Seiten, die zudem Fotografien enthalten. Selbstverständlich könnte man meinen, dass das Buch damit zu knapp und der Preis zu hoch sei, aber ich finde es eher bemerkenswert, mit wie wenig Platz Obert ausgekommen ist, um eine stimmungsvolle Geschichte mit zahlreichen Fakten und szenischen Elementen zu erzählen. Zwar kann man das Buch in weniger als einer Stunde auslesen, aber nach der Lektüre bleibt etwas zurück, an dem man sich noch lange nähren kann.
Von Obert habe ich bereits Regenzauber und Die Ränder der Welt gelesen und kann diese Bücher jedem Leser, der sich für besondere Reisen und ausgezeichnete Reiseberichte interessiert, nur ans Herz legen. Für einen Einstieg ist Karma Highway perfekt geeignet und macht Lust auf die anderen Bücher des Autors.
Michael Obert: Karma Highway. Eine Höllenfahrt in die Seele Indiens. DuMont Reiseverlag, 2017, 71 Seiten; 8 Euro.