„Aber ist das wirklich ein Beruf in Ihrem Land?“ (Seite 10)
Als ich vor mehr als 17 Jahren für ein paar Wochen im Jemen war, habe ich mich länger mit einem Beduinen aus der Ramlat as-Sabatayn unterhalten. Als er mich fragte, was mein Beruf ist, habe ich ihm erzählt, dass ich Psychologie studiere. Mein Arabisch-Wörterbuch erwähnte ein eindeutiges Wort dafür, aber der Beduine konnte mit dem Begriff nichts anfangen, und auch als ich näher ins Detail ging, was zum Beruf eines Psychologen gehört, hatte er keinen Aha-Effekt. Der Beruf des Psychologen hatte in seiner Welt, in der man starke Familienbeziehungen hat und keinem Fremden das Herz ausschüttet, keinerlei Bedeutung und keine Entsprechung.
So ging es auch den Autoren/Fotografen des Bildbands Tagwerk, die bei ihrer Arbeit immer wieder auf Menschen trafen, die nicht recht verstanden, dass Beobachten und Staunen Teil von Gelderwerb sein können.
Umgekehrt ist es so, dass die im Buch erwähnten Berufe durchaus auch in der westlichen Welt bekannt sind, auch wenn man in Mitteleuropa nie oder kaum noch Färber, Wäscher, Weber, Lastenträger oder Münzenmacher trifft bzw. sich Berufe zwischen Europa und der „dritten Welt“ deutlich unterscheiden, z.B. Bäcker, Frisöre, Schneider oder Restaurantbesitzer.
Die Berufe im Buch wurden so in Kapitel aufgeteilt, als wären sie „Teile des menschlichen Körpers oder Geisteshaltungen“ (Seite 17), z.B. „Mit dem Kopf“, „Mit den Händen“ und „Mit Kreativität“. Die einzelnen Kapitel werden durch knappe Texte eingeleitet, die erklären, was der jeweilige Überbegriff beinhaltet und welche Bedeutung bestimmte Körperteile und die Arbeit mit diesen haben. Auch die einzelnen Berufsbilder werden kurz vorstellt, bevor Bilder zu diesen gezeigt werden.
Die oft großformatigen Fotografien sind sowohl dokumentarisch als auch ästhetisch, versiert aufgenommen und hochwertig gedruckt. Sie zeigen nicht nur die Menschen in verschiedenen Gegenden der Erde, wie sie ihrer Arbeit im jeweiligen Umfeld nachgehen, sondern fangen auch perfekt die Persönlichkeit der Abgebildeten und die Stimmung vor Ort ein.
Iago Corazza und Greta Ropa: Tagwerk. Die Kunst des Lebens und Überlebens. National Geographic, 2018, 272 Seiten; 44,99 Euro.
Das klingt total interssant! Ich werde mal in das Buch reinschauen, bei nächster Gelegenheit!
Kann mir sehr gut vorstellen, wie der Beduine gegrübelt hat, was dein Beruf bedeuten soll. Darin zeigt sich so richtig der krasse Unterschied zwischen unseren Welten, gell!“
GlG, monerl
Es gibt einfach viel zu viele Bücher, die spannend sind/klingen. Aber das hier ist wirklich schön, da kannst du gerne reinschauen, wenn du mal zu Besuch kommst :-). Liebe Grüße!
Wow, das hört sich toll an. Spannend, wie in anderen Kulturen manche Begriffe/Berufe keine Bedeutung haben.
Ich werde mal schauen, ob ich es über die Fernleihe bekomme.
Danke für die Vorstellung.
Sehr gerne! Drücke dir die Daumen, dass du es dir leihen kannst. Liebe Grüße an dich und einen schönen Abend!