„Dort, in der freien Natur, unter dem blauen Himmelsgewölbe, im Anblick des grünen Waldes und gurgelnder Bäche, in Gesellschaft der Vögel und grüner Käfer werden Sie begreifen, was das Leben ist.“ (Seite 20)
Christine Stemmermann hat sommerliche Geschichten von Anton Pavlovič Čechov zusammengetragen. So wird z.B. vom Familienvater Ivan Ivanyč erzählt, der das Leben nicht mehr aushält und seinen Freund bittet, ihm seinen Revolver zu leihen, oder vom 39-jährigen Makar Baldastov, der sich 15 Mal angeschickt hat zu heiraten, der aber trotzdem Junggeselle ist.
Ich liebe russische Autoren des 19. Jahrhunderts, von Čechov habe ich aber vergleichsweise wenig gelesen, so dass ich sehr gespannt auf diese Jahreszeiten-Ausgaben von Diogenes war.
Ich habe die Angewohnheit, Autoren wie Alexander Sergejewitsch Puschkin, Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Fjodor Michailowitsch Dostojewski und Lew Nikolajewitsch Tolstoi eher in den Wintermonaten zu lesen, weil das meiner Meinung nach besser zur (oft etwas schwermütigen) Stimmung passt, doch nun habe ich die Sommergeschichten mitten in den Sommermonaten gelesen, so wie sich das für ein Jahreszeiten-Buch gehört. Und die Atmosphäre im Buch hat mich vollkommen und überzeugend ins sommerliche Russland versetzt, ich bin eingetaucht in die Geschichten über Sommerfrische, Liebe und Natur.
Čechovs Geschichten sind oft heiter und beschwingt, aber auch schwermütig, fangen das Leben im zaristischen Russland und die Mentalität der Menschen gut ein, sind stimmungsvoll und scharf beobachtet.
Ich bin eigentlich keine Kurzgeschichtenleserin, finde es oft schwer, mich in knappe Geschichten einzufühlen, aber hier fiel es mir leicht, mich treiben zu lassen und einzutauchen in eine längst vergangene, faszinierende Zeit.
Anton Čechov: Sommergeschichten. Aus dem Russischen von Peter Urban. Ausgewählt von Christine Stemmermann. Diogenes, 2020, 272 Seiten; 22 Euro.