„In the middle of the journey of my life…
I found myself in a dark wood…
where the way was lost.“
(The Divine Comedy, Dante Alighieri 1265-1321)
Brent Williams erzählt in Out of the woods von den Symptomen seiner drei depressiven Episoden, die im Buch zeitlich gerafft wurden, und bietet so zum einen Einblicke in die Psychopathologie depressiver Störungen, zum anderen in seine persönliche Erlebens-, Gefühls- und Gedankenwelt.
Er beschreibt den (leider recht typischen) Weg durch dunkle Zeiten, in denen er keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat, weil er nicht wusste, woran er tatsächlich leidet, weil er das Gefühl hatte, es allein schaffen zu müssen, und weil psychische Erkrankungen auch heute noch mit einem großen Stigma belegt sind, wodurch Betroffene oft schweigen und sich ob ihrer Symptome schämen, die von Nicht-Betroffenen allzu oft als Faulheit, Sich-Anstellen oder Übertreibung angesehen werden. Auch die häufige Komorbidität mit Angststörungen, die auch bei Williams auftraten, wird erwähnt und erklärt, so dass der Leser der Graphic Novel ein breites Wissen über depressive Störungen erlangen kann.
Williams beschreibt im Verlauf außerdem seinen Weg aus der Depression und geht dabei sowohl auf professionelle Hilfe als auch auf kleine Änderungen seines Alltags und auf Achtsamkeit ein. Angesprochen wird auch, dass es immer wieder kleinere oder größere Rückschläge geben kann, die dem Betroffenen das Gefühl geben können, nichts würde sich ändern und es gäbe keine Hoffnung, die jedoch recht typisch sind und überwunden werden können und müssen.
Begleitet wird der ebenso lehrreiche wie berührende Text von teils düsteren, teils hoffnungsvollen Illustrationen von Korkut Öztekin.
Ich bin Diplom-Psychologin und habe dadurch fachliche Expertise im Umgang mit Menschen, die an einer depressiven Störung leiden. Ich hatte und habe jedoch auch im privaten Umfeld Kontakt mit depressiven Erkrankungen, und ich weiß, dass der professionelle Umgang mit Depression oft ein ganz anderer ist als der private Umgang, wobei ich Letztgenannten als deutlich schwieriger und fordernder empfinde. Aufgrund meiner fachlichen Expertise war ich besonders gespannt auf die Graphic Novel und auf ein Gespräch mit dem Autor auf der Frankfurter Buchmesse.
Williams verwendet eingängige Beschreibungen, Erklärungen, Vergleiche und Visualisierungen, die ich als sehr gelungen und als großartig gewählt empfand, z.B. die „Library of Negative Thoughts“ oder Parallelen zu somatischen Erkrankungen, die nicht stigmatisiert sind und für die man sich normalerweise ohne Weiteres professionelle Hilfe sucht.
Mich haben sowohl die Lektüre des Buches als auch die persönliche Begegnung mit Williams nachhaltig beeindruckt und bereichert, und ich empfand Out of the woods als ein perfekt in Worte gefasstes Buch über depressive Störungen, das von hervorragenden Illustrationen begleitet wird.
Dies alles macht das Buch extrem nützlich für Betroffene und für alle, die sich mehr mit der wahren Natur einer depressiven Störung auseinandersetzen möchte, die verstehen wollen, was in Menschen mit Depression vorgeht, wie man mit ihnen umgeht, wie man helfen kann und dass „Mach doch einfach mal, raff dich auf, motiviere dich“ nicht hilft, sondern für jemanden mit einer Depression ein schier unüberwindbares Hindernis darstellt.
Out of the woods ist in englischer Sprache bei einem Self-Publisher erschienen, wozu sich Williams entschlossen hat, damit er seine persönlichen Erfahrungen ohne potenzielle Veränderungen durch einen Lektor wiedergeben kann. Ich hoffe sehr auf eine deutsche Übersetzung für dieses einzigartige Buch, das so wichtig ist, dem ich viele Leser wünsche und das ich sehr gerne im privaten und beruflichen Kontext empfehle.
Brent Williams: Out of the woods. A journey through depression and anxiety. Illustrated by Korkut Öztekin. Educational Resources Ltd, 2017, 160 Seiten; 18,40 Euro.
Hallo Romy,
eine tolle Rezension. Man spürt, wie sehr Dir das Buch am Herzen liegt.
Kennst Du „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ von Matt Haig? Das ist mein „Herzens-Depressions-Buch“.
Alleine so von den Fotos finde ich Brent Williams ja auch sehr sympathisch.
Liebe Grüße
Petrissa
Hallo, liebe Petrissa,
danke für deinen lieben Kommentar. Ja, das Buch liegt mir sehr am Herzen, weil es so gut erklärt und aufklärt – und weil es letztendlich hoffnungsvoll ist. Das Thema Depression bzw. psychische Störungen im Allgemeinen ist mir generell sehr wichtig, und ich finde, da muss es viel mehr Aufklärungsarbeit geben, damit diese Stigmatisierung aufhört.
Ja, Brent ist sehr sympathisch, und wir hatten ein wirklich schönes Gespräch.
„Ziemlich gute Gründe…“ kenne ich nicht, aber das kommt gleich auf meine Liste! Dank dir!
Liebe Grüße,
Romy