„Was ich mittlerweile immer öfter sehe […], ist ein Phänomen, das man vielleicht als ‚Festhängen am inneren Kind oder an schwierigen Gefühlen‘ beschreiben könnte. Damit meine ich, dass man sich so sehr auf negative Gefühle, damit zusammenhängende Verletzungen in der eigenen Biografie, unerfüllte Bedürfnisse und die Versorgung all dieser Bedürfnisse und Gefühle fokussiert, dass man den eigentlichen Sinn dieser psychologischen Arbeit irgendwann aus den Augen verliert. Denn der ist ja, genau solche Gefühle zu überwinden, um dann, wenn man nicht mehr von Emotionen wie Unsicherheit, Scham, Schuld oder dem Gefühl, das alles nicht verdient zu haben, gebremst wird, im Leben besser aus dem Vollen schöpfen zu können.“ (Seite 8)
Gitta Jacob erzählt – in Zusammenarbeit mit Johanna Hombergs – in Leben geht nur vorwärts von Psychologisieren als Errungenschaft und gleichzeitig als Hemmnis, von Indikation und Kontraindikation von Psychotherapie, Wirkung von und überzogenen Erwartungen an Psychotherapie, Erinnerungen und falschen Erinnerungen, Werten und Zielen, körperlicher und seelischer Gesundheit, Rauchen und Alkohol, Bewegung und Schlaf, Ernährung und Fördern von angenehmen Emotionen.
Ich habe mich im Rahmen der Selbsterfahrung in meiner Therapieausbildung und auch außerhalb der Selbsterfahrung sehr intensiv mit eigenen Schemata/Grundüberzeugungen auseinandergesetzt, diese stark modifiziert und befinde mich immer noch im Veränderungsprozess. Das war extrem wichtig für mich – und trotzdem: Irgendwann ist es genug, der Blick soll und muss nach vorn und nicht dauernd zurück gehen. Das finde ich auch in meiner psychotherapeutischen Arbeit wichtig, so dass ich sehr gespannt auf dieses Buch war, zumal ich von Jacob schon viel gelesen habe.
Ich empfand das Buch als sehr angenehm zu lesen, und ich kann mir vorstellen, dass das Buch für Einsteiger ins Thema sehr hilfreich und lehrreich ist. Für mich war Leben geht nur vorwärts über weite Strecken hinweg eher Wiederholung, und im 2. Abschnitt war ich bezüglich der „Verhaltens-Basics“ eher etwas enttäuscht, weil ich mir vom Buch etwas ganz anderes versprochen hatte. Dafür fand ich aber die sich anschließenden „Haltungs-Basics“ richtig gelungen, und hier habe ich noch ein paar schöne Ideen für meine psychotherapeutische Arbeit bekommen. Vor allem die vielen Challenges fand ich sehr gut und relevant, so dass ich mir hier viel markiert und herausgeschrieben habe.
Nach der Lektüre des ganzen Buches kann ich eine große Empfehlung für therapeutisch Arbeitende, Betroffene und/oder Laien aussprechen, auch wenn ich einzelne Passagen im Mittelteil (für mich) weniger relevant fand.
Gitta Jacob: Leben geht nur vorwärts. Wann es Zeit ist, das innere Kind in Ruhe zu lassen und durchzustarten. Beltz, 2024, 208 Seiten; 20 Euro.