„Wenn Sie sich morgens vor den Spiegel stellen, sich anschauen und sagen: Du siehst beschissen aus, bist strunzdumm und hast es einfach nicht verdient, im Spiel des Lebens mitzumachen. […] Was glauben Sie, wie wird ein solcher Tag verlaufen?“
Jakob Hein erzählt in Hypochonder leben länger initial von seinem Werdegang, von seiner Faszination für die Psychiatrie und von seiner Arbeit als niedergelassener Psychiater.
Im Verlauf thematisiert Hein unter anderem artifizielle Störungen, Mobbing, Stigmatisierung, Cocktailparty-Syndrom, Hypochondrie, Placebo und Nocebo, Schweigepflicht, Suizidalität, Schlafstörungen, Motivationale Gesprächsführung, biopsychosoziales Modell, medikamentöse Behandlung, Diagnosen, eigene psychische Gesundheit, Neuroenhancement, Hochbegabung, Hypersensibilität, Pubertät, Cannabis und Lobotomie.
Da ich selbst im Bereich der Psychiatrie tätig bin, kenne ich viele der Vorurteile gegenüber dem Fachgebiet und dem Personal, die der Autor in seinem Buch erwähnt. Ich fand Heins Einblicke sehr spannend und vor allem extrem lustig. Ich habe von Hein bereits die Gebrauchsanweisung für Berlin gelesen, bei deren Lektüre ich oft schallend gelacht habe, und auch Hypochonder leben länger macht einfach Spaß, ist gleichzeitig aber auch lehrreich und räumt mit allerlei sonderbaren Vorstellungen und Ideen auf, die vielen Leuten beim Stichwort „Psychiatrie“ einfallen.
Das Buch liest sich flott, und Hein schafft es, Wissen auf sehr amüsante Weise zu vermitteln, so dass man durch die Lektüre einiges über Psychiatrie lernen kann.
Da ich selbst bereits seit 26 Jahren im Bereich der Psychiatrie tätig bin, gab es für mich insgesamt eher wenig Neues, aber trotzdem habe ich die Lektüre genossen und empfehle sie sehr gern Leuten, die ihr Bild vom Fach Psychiatrie gerne generalüberholen lassen möchten.
Jakob Hein: Hypochonder leben länger. und andere gute Nachrichten aus meiner psychiatrischen Praxis. Galiani Berlin, 2020, 240 Seiten; 20 Euro (gebunden) bzw. 16,99 Euro (Kindle Version).