„Denn von den wenigen ausschlaggebenden Momenten unseres Lebens bekommen wir nichts mit, und hinterher verbringen wir den Rest unserer verzweifelten Existenz im sinnlosen Bemühen, sie wiederzuerlangen.“ (Seite 13f)
Josep Maria Bolós ist tot. Seinem Freund Miquel Gensana, dem Ich-Erzähler in Eine bessere Zeit, hat er am Tag vor seinem Tod eine Nachricht auf dessen Anrufbeantworter hinterlassen: „Jemand ist hinter uns her“.
Am Abend der Beerdigung trifft sich Miquel mit seiner Kollegin Júlia, die einen Nachruf auf Bolós schreiben möchte und Miquel deshalb um Informationen bittet.
Miquel erinnert sich an sein Leben: an seine Kindheit im Can Gensana, seinem Elternhaus, in dem sich nun ausgerechnet das Restaurant befindet, in dem er und Júlia essen, an sein Studium und seine Freundschaft mit Bolós, an Geliebte und Gefährten, an seine Arbeit im antifranquistischen Untergrund und an die Geschichte seiner Familie.
Ich habe alle bisher in deutscher Sprache erschienenen Werke von Jaume Cabré gelesen und zähle den katalanischen Schriftsteller zu meinen Lieblingsautoren. Vor allem Das Schweigen des Sammlers hat mich nachhaltig beeindruckt, und so war ich sehr gespannt auf den frühen Roman Cabrés, der nun ins Deutsche übersetzt wurde.
Um es kurz zu machen: Cabrés Roman hat mich anfangs sehr mitreißen können, hat mich aufgrund des für Cabré typischen Schreibstils, der an eine Parallelmontage im Film erinnert, sprachlich genauso faszinieren und begeistern können wie Das Schweigen des Sammlers. Diese Art Parallelmontage sorgt dafür, dass Cabrés Bücher nicht ganz einfach zu lesen sind, da er mitten im Satz die handelnden Personen, die Epochen, die Orte wechselt.
Die anspruchsvolle Sprache, die langen Sätze und die Verschachtelungen haben mein Lesevergnügen nicht getrübt – im Gegenteil: aus sprachlicher Sicht hat mir Eine bessere Zeit ausgezeichnet gefallen.
Auch inhaltlich konnte mich Eine bessere Zeit anfangs sehr fesseln, doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich den Roman sehr schwerfällig und weitschweifig fand, an dem ich mich zum Weiterlesen zwingen musste, an dem ich die Geschichte wenig stringent erzählt fand.
Ich finde, man spürt bereits bei diesem Frühwerk, mit welchem schriftstellerischen Können der Autor gesegnet ist. Die Sprache Cabrés hat mich genauso fasziniert wie bei späteren Werken, und er lässt (wie bei seinen späteren Büchern) ganze Epochen aufleben. Doch erkennt man meiner Meinung nach auch, dass sein Stil noch geschärft werden musste, dass ihm Erfahrung gefehlt hat und er sich in Eine bessere Zeit bisweilen verzettelt bzw. den Leser aufgrund seiner eher verwirrenden Geschichte manchmal unterwegs verloren hat.
Jaume Cabré: Eine bessere Zeit. Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt und Petra Zickmann. Suhrkamp, 2018, 555 Seiten; 24 Euro.
Liebe Romy, ich war leider ziemlich enttäuscht vom Besseren Leben. Zumindest inhaltlich. Es stimmt, dass man sein Schreibtalent schon merkt, aber zum Beispiel bei den Stimmen ist auch der Inhalt großartig. Vielleicht ein typisches Frühwerk. Viele Grüße!
Liebe Petra, ich sehe das ganz genauso. Nach dem guten Einstieg musste ich mich stellenweise ziemlich durchquälen. Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag!