„Immer mehr Dinge wurden bedeutsam, Zufälliges ordnete sich zu Bildern, Bilder wurden zu Rätseln, Rätsel zur Sprache. Aber ich konnte sie nicht verstehen.“ (Seite 13)
Renate Klöppel erzählt in Die Schattenseite des Mondes von der 28-jährigen, frisch verheirateten Kunststudentin Maria Jahn, die Mutter eines kleinen Sohnes ist und an ihrer ersten Psychose erkrankt. Dabei basiert das Buch auf einer wahren Geschichte, wobei der Name geändert wurde.
Wir begleiten Maria bei ersten Veränderungen ihrer Wahrnehmung, ihres Denkens und Fühlens, erfahren von Liebeswahn, Beziehungsideen, Fremdheitsgefühlen, zunehmendem Realitätsverlust, Verschiebung von Prioritäten, Gedankenrasen, Ideenflucht, wachsendem Misstrauen, Beobachtungserleben und Schlaflosigkeit.
Maria erlebt mehrere psychotische Episoden, Klinikaufenthalte, immer wieder eine Besserung ihres Befindens, immer wieder Unzufriedenheit mit den Antipsychotika, die eine Bewegungsunruhe machen, die ihr die Kreativität nehmen, die sie an Gewicht zunehmen lassen. Immer wieder setzt sie die Medikamente ab, erlebt Rückfälle.
Klöppel erzählt aber auch von sozialer Unterstützung durch Marias Ehemann, von ihrem Wunsch, dass ihr Sohn bei ihr lebt, was sie antreibt und motiviert, von der stabilen professionellen Beziehung zu ihrem Psychiater, was ihr Halt gibt, von der Identifikation von Frühwarnzeichen und geeigneten Strategien, die sie vor weiteren Klinikaufenthalten bewahren, von Recovery und Empowerment.
Dieses Buch stand schon eine halbe Ewigkeit ungelesen in meinem Bücherregal, obwohl mich die Thematik schon sehr lange und brennend interessiert.
Ich habe mich schon sehr viel mit Psychosen befasst und dabei vor allem mit der Schizophrenie, und hier hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass das Buch einen exzellenten Einblick in das Erleben in der Psychose bietet.
Beim Lesen habe ich das Getriebensein von Maria regelrecht gespürt, die immense Bedeutung, die sie zufälligen Dingen zuschreibt und die sie immer mehr in wahnhaftes Erleben rutschen lässt, hautnah erfahren. Was von außen keinen Sinn mehr ergibt, wird innerlich immer klarer, logischer und zusammenhängender – dies halte ich für einen sehr realistischen Einblick in Psychosen, und damit klärt das Buch sehr gut und sehr intensiv über Psychosen auf.
Ich bin beim Lesen nur so durch die Seiten geflogen, und das Ende hat mich sehr berührt, so dass ich dieses Buch rundum empfehlen kann.
Renate Klöppel: Die Schattenseite des Mondes. Ein Leben mit Schizophrenie. Rowohlt, 2004, 288 Seiten; 14 Euro.