„Zigaretten sind die einzige Medizin, die wir Schizophrene selbst dosieren können. Wir rauchen, damit die Zeit vergeht, wir rauchen, um etwas zu tun zu haben, um etwas mit unseren Händen machen zu können und um uns zu trösten. Und schließlich auch, um zu wissen, wer wir sind:
Ich bin der am Ende der Zigarette. Ich rauche morgens, obwohl mir die Lunge schmerzt, wenn ich aufwache. Ich rauche abends und nachts, wenn ich nicht schlafen kann. Ich rauche, bis ich Kopfweh davon bekomme, und zünde mir eine neue Zigarette an.“
Der Ich-Erzähler Janus wurde vier Jahre lang in der Psychiatrie behandelt, da er unter paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie leidet. Nach der Entlassung kommt er in der Wohnung seines Bruders unter, der gerade nicht in der Stadt ist, und schwelgt in alten Erinnerungen an die Kurdin Amina, mit der er drei Jahre lang Briefe geschrieben hatte, bevor sie den Kontakt vor sechs Monaten plötzlich abgebrochen hat. Janus will verstehen, was passiert ist und was ihre Gründe waren, sich von ihm zurückzuziehen, und macht sich auf die Suche.
Viele Jahre lang habe ich die Schizophrenie-Vorlesung im Rahmen universitärer Lehre gehalten, und geendet habe ich meine Vorlesung immer mit Buch- und Filmempfehlungen zum Thema. Unter diesen Empfehlungen war stets Aminas Briefe von Jonas T. Bengtsson, denn meiner Meinung nach ermöglicht das Buch interessierten Laien einen lebendigen und (für einen Roman) recht authentischen Blick auf die Schizophrenie.
Aminas Briefe lässt sich durchgehend flüssig lesen, weist einen guten Spannungsbogen auf und wirkt sehr realistisch und glaubwürdig. Bengtsson schreibt eindringlich und direkt, bringt Dinge auf den Punkt und beschönigt nichts. Dabei steigern sich seine Schilderungen bisweilen ins (beinahe) Unerträgliche. Er beschreibt nicht nur Janus‘ Erkrankung, sein damit verbundenes verzerrtes Erleben und seine pathologischen Wahrnehmungen, sondern thematisiert auch sexuellen Missbrauch, Obdachlosigkeit, Gewalt, Drogen und Alkohol.
Mir hat die Darstellung der schizophrenen Psychose sehr gut gefallen. Zu Beginn des Buches gab es jedoch einige Kleinigkeiten, die ich unrealistisch fand (z.B. die schnelle Entlassung nach einem ersten katatonen Zustand und das sofortige Nachhauseschicken bei einem Verdacht auf einen Suizidversuch).
Jonas T. Bengtsson: Aminas Briefe. Aus dem Dänischen von Günther Frauenlob. Kein & Aber, 2013, 240 Seiten; 11 Euro.
Dieser Post ist Teil des Monatsthemas „Psychische Störungen“ im Februar 2019.