„Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.“ (Arthur Schopenhauer)
Frank Schätzing erzählt in Was, wenn wir einfach die Welt retten? von Wetter und Klima, natürlichem und menschengemachtem Klimawandel, Kipppunkten und Kippelementen, Kaskadeneffekten und chaotischen Veränderungen, Australien und Buschbränden, Abschmelzen der globalen Eismassen und Albedo-Rückkopplung, Golfstrom und El Niño, Destabilisierung der ozeanischen Methanvorkommen und Versauerung der Meere, Monsun und Jetstream, Verschwinden der tropischen Regenwälder und Dezimierung der borealen Wälder, zunehmender Versteppung und Auftauen der Permafrostböden, unbekannten Virengruppen und Zoonosen, Kohle und erneuerbaren Energien, Verbrennungsmotoren und Elektromobilität, Chaostheorie und Attraktoren, Fridays for Future und Coronapandemie, Skeptizismus und Klimaskeptikern, Reptiloiden und Verschwörungstheorien, Reptilienhirn und Neokortex, Spieltheorie und Egoismus, ökologischem Fußabdruck und Konsum, Lösungsansätzen und Rebound-Effekten. Zudem beschreibt er, was wir als Individuen konkret tun können, um gegen den Klimawandel vorzugehen, und welche Forschungsprojekte sich mit der Thematik beschäftigen.
„Alles im Universum folgt den Gesetzen der Chaostheorie. Zustände lang anhaltender Ordnung brechen urplötzlich und unvorhersagbar zusammen.“
Vor 15 Jahren habe ich eine Diplomprüfung über System- und Chaostheorie abgelegt – ein Thema, das mich sehr beeindruckt und fasziniert hat. Kurz danach habe ich Der Schwarm von Schätzing gelesen und war begeistert von seiner Fähigkeit, System- und Chaostheorie gekonnt und verständlich in einen Roman einzubinden, Wissen zu vermitteln und dabei gut zu unterhalten. Ich habe trotzdem nichts mehr von Schätzing gelesen, weil ich mit den im Roman auftauchenden Yrr überhaupt nicht zurecht kam und deshalb letztendlich von dem Buch enttäuscht war. Aber ein Sachbuch über den Klimawandel von jemandem, der sich schon ausführlicher mit System- und Chaostheorie beschäftigt hatte, das musste ich natürlich lesen!
Und genau diese von mir antizipierten Bezüge zu System- und Chaostheorie gibt es im Buch auch, und wie erwartet schafft es Schätzing, diese dem Leser nahe zu bringen und dadurch klar zu machen, was z.B. passiert, wenn wir Kipppunkte erreichen.
Was, wenn wir einfach die Welt retten? ist eloquent geschrieben, man merkt beim Lesen sofort, dass der Autor Erfahrung damit hat, Geschichten zu schreiben. Das Buch liest sich einfach so weg, ist klug und lehrreich, wird bisweilen auch amüsant erzählt. Dabei setzt sich Schätzing auf komplexe Weisen mit den relevanten Themen auseinander. Hier findet man wenig Schwarz-Weiß-Denken und viele Grautöne.
Schätzing entwirft zu Beginn seines Buches ein Worst Case-Szenario, das einem beim Lesen jede Hoffnung raubt und das sehr authentisch wirkt, und er bietet am Ende eine Zukunftsvision, die mich sehr berührt und mir gezeigt hat, dass wir es schaffen können, wenn wir wirklich und wahrhaftig versuchen, unseren Konsum und unseren Umgang miteinander, mit anderen Lebewesen und mit der Natur zu ändern. Diese beiden gegenübergestellten Szenarien zeigen hervorragend, was wir bekommen werden, wenn wir genauso weitermachen wie bisher, und was wir Großartiges gewinnen können, wenn wir so schnell wie möglich Änderungen einleiten.
Was, wenn wir einfach die Welt retten? macht betroffen und sprachlos: Was haben wir in kürzester Zeit nur angerichtet, und welches Trümmerfeld hinterlassen wir nachfolgenden Generationen, wenn wir nicht endlich zur Vernunft kommen? Ich wünsche diesem wichtigen Buch sehr viele Leser und kann es jedem nur ans Herz legen!
„Wer schon im Maßhalten seine Freiheit gefährdet sieht, der weiß Freiheit nicht zu schätzen.“
Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise. Kiepenheuer & Witsch, 2021, 336 Seiten; 20 Euro.
Dieser Post ist Teil meines Klima-Monatsthemas im August 2021.