„Mit dem Dorf stimmt was nicht. Ganz massiv.“
Das brandenburgische 200-Seelen-Dorf Unterleuten wirkt auf den ersten Blick wie die perfekte Idylle: Obstbäume, eine Dorfgemeinschaft, die sich schon lange kennt, Natur pur. Doch unter der Oberfläche brodeln Konflikte, die weit zurück in die Vergangenheit der Dorfbewohner führen und die sich dramatisch verstärken, als ein Windpark in unmittelbarer Nähe des Dorfes errichtet werden soll. Bald machen sich die verschiedenen Konfliktparteien gegenseitig das Leben schwer, und das idyllische Unterleuten wird immer mehr zur Hölle.
Juli Zeh hat mit Unterleuten einen Gesellschaftsroman über das 21. Jahrhundert geschrieben, in dem nur noch der Einzelne zählt und die Gemeinschaft immer mehr zerfällt. Dabei gelingt es ihr hervorragend, dem Leser das Leben in Unterleuten nahe zu bringen, indem sie ihre Protagonisten detailreich und lebensnah zeichnet und die Beziehungen zueinander mit viel Feingefühl herausarbeitet.
Auch wenn der Roman im Verlauf bisweilen Längen aufweist, fand ich die Art und Weise, wie Zeh ihren Protagonisten Leben einhaucht, beeindruckend, denn jede einzelne Figur wurde komplex gezeichnet und beschrieben, wobei man anfangs sympathische Personen im Verlauf bisweilen für abstoßend hält und initial widerwärtige Menschen nach und nach besser verstehen und akzeptieren kann. Diese vielschichtigen Protagonisten empfand ich als extrem spannend und zusammen mit den verflochtenen Beziehungen zwischen ihnen als Höhepunkt des Romans. Auch die Schilderungen der Handlungsorte sind Zeh außerordentlich gut gelungen, und beim Lesen fühlt man sich des Öfteren nach Brandenburg versetzt.
Sprachlich empfand ich Unterleuten als anspruchsvoll, ohne dass sich der Roman sperrig lesen ließ. Vielmehr handelt es sich um ein flüssig lesbares Buch, das sprachlich sehr natürlich wirkt und inhaltlich packend ist.
Juli Zeh: Unterleuten. Luchterhand Literaturverlag, 2016, 639 Seiten; 24,99 Euro.
Dieser Post ist Teil des Berlin-Themas im März 2017.