Liebesgeschichten enthält zwei Novellen („Asja“ und „Eine Unglückliche“) und eine Erzählung („Das Lied der triumphierenden Liebe“) Iwan Sergejewitsch Turgenews. Während die beiden Novellen in sehr realistischer Weise das Scheitern von Liebesbeziehungen und die Verzweiflung der Liebenden darstellen, weist „Das Lied der triumphierenden Liebe“ phantastische Elemente auf und lässt die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum/Fiktion verschwimmen.
„Asja“ und „Eine Unglückliche“ beschreiben ein authentisches Bild der russischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert – mit der für russische Autoren der Epoche so typischen Melancholie, mit der typischen Emotionalität, mit der typischen weltmännischen Gewandtheit, mit der typischen Dekadenz.
Die Sprache ist anspruchsvoll und bisweilen ungewöhnlich. Wer mit russischen Autoren wie Lew Nikolajewitsch Tolstoi, Fjodor Michailowitsch Dostojewski oder Alexander Sergejewitsch Puschkin vertraut ist, wird sich problemlos einlesen. Wer sich bisher wenig oder gar nicht mit russischer Literatur beschäftigt hat, wird möglicherweise etwas länger brauchen, bis er/sie sich auf den besonderen Stil einlassen kann. Die Belohnung lässt jedoch nicht lange auf sich warten: glaubwürdige Charaktere, eine schwermütige Stimmung, die einen sofort ins zaristische Russland versetzt, starke und mitreißende Emotionen der Protagonisten.
„Das Lied der triumphierenden Liebe“ evoziert völlig andere Emotionen beim Leser, ist wenig melancholisch, doch sehr mystisch, unheimlich, bedrohlich und düster.
Turgenews Liebesgeschichten sind einfach wunderbar und eignen sich meiner Meinung nach besonders gut für kalte Wintertage.
Iwan Sergejewitsch Turgenjew: Liebesgeschichten. Aus dem Russischen von Ena von Baer. dtv, 2013, 224 Seiten; 8,90 Euro.
Dieser Post ist Teil des Russland-Themas im November 2017.